„Zuckerpuppe“ und Jazz - Bill Ramsey wird 80
Hamburg (dpa) - Die „Zuckerpuppe aus der Bauchtanztruppe“ hat seit 50 Jahren „die Tüllgardine vor dem Babydollgesicht“ - Bill Ramsey soll seinen alten Gassenhauer dennoch nach wie vor auf fast jedem Konzert singen.
„Einen Zuschauer, der das fordert, gibt es immer“, sagt der Musiker, der dem Begehren der Fans aber nicht oft nachgibt. Nicht weil er ihm frühere Schlagerhits wie „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“, „Pigalle“, „Souvenirs, Souvenirs“ oder der „Wumba-Tumba Schokoladeneisverkäufer“ heute peinlich wären.
Im Gegenteil: „Denen habe ich schließlich meine Bekanntheit zu verdanken“, betont Ramsey. Vielmehr möchte der in Hamburg lebende Sänger, der an diesem Sonntag (17. April) seinen 80. Geburtstag feiert, nur noch seine eigentliche Leidenschaft ausleben. Denn der Schlager brachte ihm zwar den Erfolg, seine große Liebe aber ist seit jeher der Jazz.
Das Image als „Schlagerclown“ hat Ramsey nie gestört. Unter den eingefleischten Jazzfans machte sich der in Cincinnati (US-Bundesstaat Ohio) geborene Sohn eines Werbedirektors und einer Lehrerin indessen keine Freunde, als er seine Schlagerkarriere begann. Doch seine parodistischen Hits wurden in den 50er und 60er Jahren schnell zu Ohrwürmern.
„Das waren eben lustige Lieder, die den Menschen sehr viel Freude gemacht haben“, sagt der Schlagerveteran. „Sie sind für mich als Jazzsänger nur nicht besonders reizvoll, weil man immer dasselbe machen muss. Wenn man einen Jazztitel singt, kann man das am Montag so, am Dienstag so und am Mittwoch so - man wird es immer wieder anders tun“, erklärt er. „Die "Zuckerpuppe" oder "Mimi" dagegen soll man möglichst plattengetreu bringen - und das ist nach 50 Jahren einfach nicht mehr so spannend.“
Mit der heutigen Schlagerszene um Andrea Berg oder Helene Fischer kann Ramsey ohnehin nichts mehr anfangen. „Die Namen sagen mir noch nicht einmal etwas“, bekennt er. „Ich habe damit einfach nichts zu tun.“ Noch immer spricht der Deutsch-Amerikaner, den es Anfang der 50er Jahre als Truppenbetreuer für GIs auch nach Deutschland verschlug, mit seinem berühmten amerikanischen Akzent. „Kultivieren Sie den?“, fragte ihn der „Stern“ einmal.
„Es ärgert mich maßlos, wenn die Leute das sagen. Ich würde gern perfekt Deutsch sprechen, aber ich kann es einfach nicht“, entgegnete Ramsey, der kurz nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 zum bisher letzten Mal in den USA war. „Meine Heimat ist Hamburg“, erklärt der Mann mit den „weißen Haaren und der schwarzen Stimme“ (wie man ihn inzwischen gern nennt).
Ella Fitzgerald soll anerkennend über Ramsey gesagt haben, er singe wie ein Schwarzer. Schon als Schüler hatte er sich Taschengeld als Jazzsänger verdient, als Soziologie- und Wirtschaftsstudent an der Yale-Universität in New Haven blieb er dem Jazz treu, übernahm aber bereits kleinere Funk- und Filmaufträge. Schließlich stieg er ganz ins Showbusiness ein. Der „Wumba-Tumba Schokoladeneisverkäufer“ war einer der ersten Hits Ramseys, der den Wechsel vom Jazz zum Pop gern mit einem Zitat der Veranstalterlegende Fritz Rau kommentiert: „Jazz ist die Universität der Popularmusik.“ Sein komödiantisches Talent bescherte ihm auch zahlreiche Film- und Fernsehrollen sowie TV- und Hörfunk-Moderationen. Noch immer sitzt er regelmäßig für den Hessischen Rundfunk und seine „Swingtime“ (hr2) hinter dem Mikrofon.
Rund 30 Spielfilme, zahlreiche Fernsehauftritte, Sendungen auch für Kinder auf der einen Seite, Jazz-Platten und -Tourneen auf der anderen - Ramsey führte gewissermaßen ein Doppelleben. TV-Auftritte mit den alten Schlagern sowie weitere Jazzkonzerte gibt es auch rund um seinen Geburtstag, den er im kleinen Freundeskreis feiern wird. Auch in Zukunft möchte er weiterhin „viel jazzen und verreisen“. Gemeinsam mit seiner vierten Ehefrau Petra, mit der er seit 27 Jahren verheiratet ist.
„Manche können es nicht gut aushalten, wenn sie den ganzen Tag mit ihrem Partner zusammen sind. Ich dagegen kann es nicht gut aushalten, wenn sie weg ist“, sagt er. „Das ist einfach ein großes Glück.“ Ein wenig kürzer tritt er zwar schon. „Zwei Stunden auf der Bühne zu stehen, fällt mit 80 eben nicht mehr so leicht wie mit 60.“ Einen Abschied von der Bühne kann sich der Entertainer jedoch nicht vorstellen: „Erst wenn die Stimme nicht mehr will.“