Temperament und Temperatur
Shakira sang und tanzte in Mönchengladbach gegen die Kälte an.
Mönchengladbach. Mönchengladbach ist eine schöne Stadt und gibt einen vorzüglichen Rahmen für kulturelle Veranstaltungen aller Art ab. Wofür sich die Vitusstadt allerdings weniger eignet, ist ein Open-Air-Konzert im Mai. Selbst wenn sich mit Shakira einer der heißeren Exporte Südamerikas im Niederrheinischen einfindet, hält sich die örtliche Wetterlage nicht an den beschwörenden Titel ihrer Welttournee „The Sun Comes Out“.
Stattdessen wehen steife Brisen durch die Tribünen des Hockeyparks. Doch Shakira lässt in den 70 Minuten ihres blitzsauberen Konzerts mit zehnköpfiger Begleitband und zwei Tänzerinnen nichts unversucht, um gegen diese widrigen Umstände anzusingen und zu tanzen.
Von ihren vielen Hits präsentiert die Kolumbianerin unter anderem eine rockige Version von „Whenever, Wherever“ mit einer Referenz zu EMFs „Unbelievable“, „Gypsy“, „Sale El Sol“, „Loca“ und „She Wolf“. Sie greift auch selbst zu Akustikgitarre und Mundharmonika, lädt vier Besucherinnen zur Bauchtanz-Nachhilfe auf die Bühne ein und spielt einen unplugged-Teil auf dem Bühnen-Satelliten im Publikum. Ob Metallicas „Nothing else matters“ dabei unbedingt eine lateinamerikanische Umdeutung erfahren muss, lassen wir lieber unkommentiert.
Im 20-minütigen Zugabenteil finden noch „Hips don‘t lie“ und der WM-Song von 2006 „Waka Waka (This Time for Africa)“ Platz. Doch das Singen ist bei Shakira sowieso eher Sekundärtugend. Nicht jeder mag die merkwürdig eingezwängte Stimmfarbe in den höheren Registern und das Überschlagen der Stimme in die Oktave. Ihr viel beredteres (und dank der großen Videoleinwände auch bestens zu studierendes) Ausdrucksmittel ist der Hüftschwung, den sie facettenreich präsentiert.
Unbeeindruckt von den geschätzten zehn Grad Celsius tanzt, hüpft und wackelt die 34-Jährige barfuß über die Bühne, wobei sie sich nach und nach mehrerer Schichten ihrer wechselnden Oberbekleidung entledigt — etwa in dem Maß, wie die textilen Wärmepolster im Publikum zunehmen.
Temperament und Temperatur gehen hier einen ungleichen Kampf ein, der am Ende skurrile Bilder von Menschen hervorbringt, die in Jacken und Regenponchos Salsa tanzen. Das ist das Maximum, was das Wetter in Mönchengladbach an kolumbianischem Feuer zulässt.