Meinung Der falsche Anti-Parteien-Reflex
Pfui, Parteien. Das hört man oft. Daraus wird schnell „Pfui Politik“. Und dann kommen die Rechtspopulisten, die das ganze politische Establishment hinwegfegen wollen. Die Parteien sind schmutzig, nur das Volk ist „rein“, das ist das Bild, das sie verbreiten.
Peter Altmaier scheint wieder so ein Fall von „Pfui, Parteien“ zu sein, weil er Kanzleramtsminister ist und gleichzeitig das CDU-Wahlprogramm schreiben soll. Leider sind die demokratischen Mitbewerber der CDU der Versuchung erlegen, diesen Vorgang auch in die Gosse zu ziehen. Sie geben den Gegnern des Parteiensystems mit ihrer Kritik Futter.
Parteien sind konstitutiv für die Demokratie. Konstitutiv heißt: Ohne sie gäbe es keine Demokratie. Man kann einen Kanzler vielleicht noch direkt nach seinem Persönlichkeitsprofil wählen. Allerdings kommen dann Leute wie Trump heraus, in Deutschland wäre es womöglich Dieter Bohlen oder Franz Beckenbauer. Man kann aber schon alle Minister nicht nach Aussehen und privater Einstellung wählen, auch nicht alle Parlamentarier. Man wählt Grundsätze, Programme, politische Vorhaben, Versprechungen von Gruppen, die sich Parteien nennen. Anders geht es gar nicht. Es gibt in Deutschland keine Experten-Regierung, es gibt Partei-Regierungen. Die Verbindungen zwischen Regierungen und Parteien sind also keine Überschreitung, sie sind der Kern der Sache.
Die Parteiengesetze und eine ausgefeilte Rechtsprechung sollen verhindern, dass diese Verbindung missbraucht wird. Etwa, dass mit öffentlichen (Regierungs-)Geldern Parteiwerbung gemacht und Parteiarbeit geleistet wird. Wegen der Chancengleichheit müssen die Parteien schon selbst um ihre Einnahmen und ihre Wirkung kämpfen, das ist der Leitgedanke. Aber diese Regeln können nur die gröbsten Missbräuche stoppen. Weil die Finanzverantwortlichen der Parteien findig sind, müssen die Gesetze immer wieder neu justiert werden. Zuletzt etwa machten buchbare Treffen mit Regierungsverantwortlichen gegen einen Obolus für die Parteikasse bei Union („Rent a Rüttgers“) und SPD („Rent a Sozi“) Schlagzeilen. Ein kritischer Blick auf die Parteien ist also berechtigt. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Der Versuch einer totalen Trennung jedoch wäre fundamentalistisch, und, weil parteienfeindlich, auch falsch. Wenn Angela Merkel die CDU-Präsidiumssitzung leitet, bekommt sie ihr Gehalt in dieser Zeit als Kanzlerin. Und wenn Peter Altmaier das CDU-Wahlprogramm schreibt, tut er das nicht in seiner Freizeit. Beide sind im Übrigen keine gespaltenen Persönlichkeiten, die mal in diese, mal in jene Rolle schlüpfen. Die „Affäre Altmaier“ ist keine. Wer, wenn nicht der engste Vertraute der Kanzlerin und CDU-Chefin sollte das Wahlprogramm entwerfen? Der Vorgang zeigt allenfalls, dass Generalsekretär Peter Tauber Angela Merkels engster Vertrauter nicht ist. Das ist die eigentliche Nachricht, die man freilich schon ahnte. Apropos: Wer ist es eigentlich bei Martin Schulz?