Meinung Ohne Rot zu werden
Dass ausgerechnet Wolfgang Schäuble nun Steuersenkungen ins Spiel bringt, ist von einer gewissen Schamlosigkeit. Wenn jemand Erleichterungen bisher blockiert hat, dann der Bundesfinanzminister. Das beginnt bei der angekündigten steuerlichen Forschungsförderung.
Sie könnte schon längst Gesetz sein, wenn Schäuble sie nicht verhindert hätte — fast alle sind dafür.
Das geht weiter mit der von dem CDU-Politiker jetzt vorgeschlagenen Abflachung des Tarifverlaufs der Einkommenssteuer und seiner Rechtsverschiebung. Im Grunde ist das nur eine verspätete Korrektur der Kalten Progression, die einen Teil der Lohnerhöhungen der letzten Jahre wegfrisst und Schäubles Kassen ungerechtfertigt füllt. Das Entlastungsvolumen in Höhe von 15 Milliarden Euro ist angesichts eines jährlichen Steuerplus von 80 Milliarden im Vergleich zu 2013 im Übrigen nicht gerade berauschend. Selbst die von Schäuble angekündigte stufenweise Abschaffung des Solidaritätszuschlages ist nichts Neues. Das ist schon verfassungsrechtlich geboten.
Aber der Wahlkampf naht, und der CDU-Mann tut wenigstens so, als wolle er die Steuerzahler ehrlich entlasten. SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz ist da ungeschickter. Er hat gesagt, er wolle überschüssiges Geld lieber in die Bildung stecken und unter anderem den Kitabesuch gebührenfrei machen. Das helfe die Bedürftigen viel gezielter. Schulz hat damit zum Teil zwar Recht, aber eben nur zum Teil. Die Masse der Einkommenssteuerzahler will endlich auch etwas haben vom scheinbar endlosen Aufschwung der deutschen Wirtschaft. Und zwar einfach für sich, und zwar auch die, die kein Kitakind (mehr) haben.
Außerdem stehen die von der SPD aus Gerechtigkeitsgründen geplanten Erhöhungen bei den Reichen bei so einem Steuerkonzept isoliert im Raum; die Union kann die SPD leicht als bloße Steuererhöhungspartei angreifen. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Olaf Scholz hat diese strategische Falle erkannt und fordert anders als Schulz deshalb sowohl Steuererleichterungen in der Mitte als auch ein Abschmelzen des Soli. Die SPD muss sich nun entscheiden. Ebenso wie die Union noch debattieren muss, ob sie ihr Mantra „Keine Steuererhöhungen“ wirklich auch für jene Bereiche fortsetzen will, die erkennbar ungerecht sind.
Denn auch sie ist angreifbar, solange sie Managergehälter nicht regelt, die Erbschaftssteuer für Superreiche nicht erhöht und auch die ungerechte pauschale Abgeltungssteuer auf Zins- und Dividendeneinnahmen unverändert lassen will. Besser wäre es — auch mit Blick auf eine mögliche neue große Koalition — beide Parteien wären in der Steuerpolitik weniger rigoros. Denn das Land braucht am Ende alle drei Elemente: Mehr finanzielle Luft für die Menschen mit geringen und mittleren Einkommen, mehr steuerliche Gerechtigkeit zwischen Reich und Arm und mehr Investitionen in Infrastruktur, Bildung und Sicherheit. Gute Steuer-Konzepte passen wohl nicht auf ein Wahlplakat.