Meinung Wettlauf um die Familien: Wer bietet mehr?
Spätestens, seit die Union im Jahr 2007 den Ausbau der Kinderbetreuung ausrief und auch den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz akzeptierte, ist Wahlkampf um die Familienpolitik nicht mehr wirklich ergiebig.
Elterngeld, Ganztagsschulen, Kindergelderhöhungen, Bildungspakete, es ist noch sehr viel mehr dazu gekommen. Die SPD hat auf diesem Politikfeld zwar noch einen Kompetenzvorsprung, aber die Union achtet darauf, es ihr nicht allein zu überlassen. Selbst die CSU bewegt sich Richtung modernes Familienbild. Der alte ideologische Gegensatz — hier das Zu-Hause-Betreuungsmodell, dort die Vereinbarkeit von Beruf und Familie — ist weitgehend Geschichte. Inzwischen sind zum Beispiel alle Parteien dafür, das früher so umstrittene Ehegattensplitting durch ein „Familiensplitting“ zu ersetzen, beim Steuervorteil also Kinder zu berücksichtigen. Unterschiedlich sind nur noch die konkreten Wege.
Wenn die großen Volksparteien nun trotzdem einen intensiven Wahlkampf um die Familien vorbereiten, ist das weitgehend klassische Verteilpolitik nach dem Motto: Wer bietet mehr? Die Betroffenen dürfen sich freuen, denn irgendetwas von den Katalogen, die jetzt geschrieben werden, wird schon bei ihnen hängen bleiben. Ob eine Entlastung bei den Sozialbeiträgen oder eine Baby-Grundausstattung (CSU), ein Baukindergeld fürs Eigenheim (CDU), ein Ausgleich für verringerte Arbeitszeit (SPD) oder gebührenfreie Kitaplätze (alle). Entscheidend ist, was von den Lockangeboten hinterher wirklich umgesetzt wird. Das können die Bürger bei ihrer Stimmabgabe freilich nicht wissen. Familienpolitisch orientierte Wähler sollten sich daher ein gedankliches Merkkonto für die übernächste Bundestagswahl — oder auch die folgende Landtagswahl — anlegen und Nichterfüllung dann konsequent bestrafen.
Ja nach Rechnung beträgt die staatliche Förderung für Familien in Deutschland schon jetzt rund 200 Milliarden Euro im Jahr. Mehr Kinder gibt es deshalb nicht. Die Zielgenauigkeit von Maßnahmen ist offenbar viel entscheidender als die Summe. Die von der SPD betriebene Reform des Unterhaltsvorschussgesetzes war für viele Alleinerziehende zum Beispiel wichtiger als manches andere; ebenso sind es bezahlbare Wohnungen. Die ausreichende Abdeckung mit guten, auch flexibel öffnenden Kitas wiederum ist für Berufstätige zentral. Eltern mit kleinen Kindern oder Kindern, die erhöhte Zuwendung brauchen, benötigen darüber hinaus mehr Zeitflexibilität im Job, und arme Eltern hätten etwas davon, wenn der Staat Bildungs- und Freizeitangebote für ihren Nachwuchs unbürokratischer finanzieren würde. Und so weiter. Jede Familie ist anders und die Gießkanne hier absolut nicht das richtige Förderinstrument.
Familienpolitisch interessierte Wähler sollten sich deshalb nicht vom Geld allein locken lassen, sondern sehr genau schauen, welche Parteien einen pragmatischen Blick haben. Und welche Parteien überzeugende Politiker(innen) aufbieten, die Familie kennen und können.