Meinung Der Krieg gegen die Natur lässt sich nicht gewinnen
Vor ein paar Monaten tauchten dunkle Wolken am strahlenden Himmel einer ewig wachsenden Weltwirtschaft auf. Die ökonomische Dynamik in China verliere an Kraft, die geplanten Zuwachsraten seien nicht zu schaffen, so hieß es.
Panik brach aus, die Börsenkurse fielen, von Arbeitsplatzverlusten auch hierzulande war die Rede. Inzwischen ist wieder Ruhe eingekehrt. Alles nicht so schlimm. Wirklich? China stößt von allen Staaten die meisten Treibhausgase aus. Das Land verbrennt die meiste Kohle. Chinesen kaufen die meisten Autos, sie bauen die meisten Hochhäuser. Was dem Wachstum der Wirtschaft dient, wird gemacht. China geht einen Weg, der direkt in die Klimakatastrophe führt.
Aber es tut sich was im Reich der Mitte. Umweltprobleme sind kein Tabuthema mehr. Millionen Chinesen regen sich in den sozialen Medien über Smog auf. Der Dokumentarfilm „Under the Dome“ („Unter der Kuppel“) über die gesundheitlichen Schäden der Luftverschmutzung wurde binnen einer Woche im Internet 200 Millionen Mal aufgerufen — und dann von der allmächtigen Partei verboten. Trotzdem beginnt Präsident Xi Jinping zu begreifen, dass er den Krieg gegen die Natur nicht gewinnen kann. Er erkennt, dass sich wirtschaftliches Wachstum und Umweltschutz nicht unbedingt ausschließen. Und genau hier liegt die Chance, dass es beim Weltklimagipfel in Paris zu Fortschritten kommt. Wohlstand lässt sich mehren, ohne die Natur auszubeuten. Konsequent auf regenerative Energie zu setzen ist nur Baustein dieser Strategie.
Die Hürden auf diesem Weg sind allerdings extrem hoch. Beispiel Finanzierung: Die ärmeren Staaten wollen Klimaschutz, sind aber auf die Hilfe der Industrieländer angewiesen. Allein Indien schätzt seinen Bedarf bis 2030 auf 2,5 Billionen Euro. Beispiel Verbindlichkeit: Alle Teilnehmer werden in Paris die Reduzierung ihrer CO2-Emissionen zusagen, aber einen rechtsverbindlichen Rahmen dafür gibt es nicht. Die Regierungen in den Industriestaaten werden ihren Wählern erklären müssen, dass Klimaschutz noch mehr Geld als bisher kostet. Ein schwieriger Weg. Aber was soll die Alternative sein? Wenn steigende Meere das Leben von Hunderten Millionen Menschen bedrohen, wenn die Armut in Afrika und Asien durch den Klimawandel zunimmt, dann kommen die Menschen zu uns. Und weder Mauern noch Zäune werden sie davon abhalten.