Leitartikel Die Kanzlerin allein zu Haus

Altkanzler Gerhard Schröder hat für seine Amtsnachfolgerin einen guten Tipp parat. In der sogenannten Flüchtlingskrise solle Angela Merkel sich stärker an der proeuropäischen Politik von Helmut Kohl orientieren.

Foto: Judith Michaelis

Deutschland müsse sich der Renationalisierung in der EU entgegenstellen, teilt der SPD-Mann per Interview mit. Dafür bedürfe es wieder einer stärkeren deutsch-französischen Zusammenarbeit.

Wie groß Frankreichs Interesse daran ist, hat Premierminister Manuel Valls am Samstag am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz durchblicken lassen. Die Grande Nation werde keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen. Zudem werde es mit seinem Land kein dauerhaftes System zur Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas geben. Eine Absage also an genau jenen Plan, den Bundeskanzlerin Merkel ab Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel zum Kern einer gemeinsamen europäischen Flüchtlings- und Asylpolitik machen will.

Das dröhnende Non! des Sozialisten Valls, das mit Blick auf die Präsidentenwahl im kommenden Jahr zwar auch eine Botschaft nach innen ist, birgt reichlich politischen Sprengstoff. Es belegt das Auseinanderdriften Kerneuropas in der Flüchtlingsfrage. Es wird dabei so schnell keine gemeinsame Linie und Lösung geben.

Was zu weiten Teilen auch Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn mit ihrer Politik des Abriegelns zu verantworten haben. Deren Regierungschefs treffen sich heute mit Vertretern Bulgariens und Mazedoniens, um über die Sicherung der EU-Grenzen zu sprechen. Wobei sie weniger die EU als ihre eigenen Länder im Blick haben. Notfalls mit Soldaten wollen sie die Grenze von Mazedonien zu Griechenland absperren lassen. Auch Österreich will dabei helfen.

Nach dem EU-Gipfel, das hatte Merkel vor Wochen angekündigt, werde sie eine Zwischenbilanz ziehen, um zu „sehen, wo wir stehen“. Auch, wenn sie die Frage in Richtung der Kritiker in den eigenen Reihen gestellt hatte, die Antwort lautet mit Blick auf Europa: Ziemlich allein da. Leider.