Die Kluft zwischen Arm und Reich wächst weiter
Die Mittelschicht ist der Lastesel der Nation. Angela Merkel muss beim Weltwirtschaftsforum in Davos bei der Bekämpfung von Steuerschlupflöchern Druck machen.
Die weltweiten Vermögen sind immer ungleicher verteilt. Dieses Ergebnis einer jüngsten Studie der britischen Hilfsorganisation Oxfam ist keineswegs neu. Erst vor ein paar Wochen hatte die OECD ebenfalls die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich mit Zahlen und Fakten belegt. Weitere Untersuchungen dieser Art dürften folgen.
Es herrscht also kein Erkenntnisproblem. Das Problem ist, dass solche Expertisen regelmäßig in der Schublade verschwinden, ohne dass sich an den Zuständen etwas ändern würde. Dabei geht es keineswegs nur um das Häuflein der Superreichen und die Masse derer, die am Tag kaum satt zu essen haben. Wenn etwa 80 Prozent aller Menschen nur etwa 5,5 Prozent des weltweiten Reichtums besitzen, dann stellen sich auch Fragen für die Mittelschicht in den entwickelten Industrieländern. Denn dort ist die Lage kaum anders. Auch in Deutschland nicht.
Dass die Mittelschicht der Lastesel der Nation ist, hat sich nicht zuletzt in der Wirtschafts- und Finanzkrise gezeigt. Die Normalverdiener retteten mit ihren Steuern Banken und bewahrten den Sozialstaat vor dem Zusammenbruch. Wenn diese Schicht längerfristig immer kleiner wird, kann das bei künftigen Krisen immer weniger gelingen. Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich ist also nicht nur sozial ungerecht, sondern auch ökonomisch gefährlich.
Was ist zu tun? Eine angemessene Besteuerung großer Vermögen muss nach wie vor ganz oben auf der politischen Agenda stehen. Dazu gehört vor allem eine Reform der Erbschaftsteuer. Auch die Abgeltungssteuer auf Zinserträge muss gerechter werden. Abgeschafft oder zumindest erschwert werden muss auch die Möglichkeit der Gewinnverlagerung großer Unternehmen in Niedrigsteuergebiete. Die Debatte um die Finanztransaktionssteuer auf Geldmarktgeschäfte hat gezeigt, dass ein vermeintliches Randthema schnell ins Zentrum der Betrachtung rücken kann, wenn dafür politische Überzeugungsarbeit geleistet wird.
Noch in dieser Woche kommen die politischen Eliten beim Weltwirtschaftsforum in Davos zusammen. Für Angela Merkel eine gute Gelegenheit, die ungleiche Vermögensverteilung ernsthaft anzusprechen und bei der Bekämpfung von Steuerschlupflöchern Druck zu machen.