Meinung Diesel-Fahrverbote: Für die Autoindustrie kommt es jetzt knüppeldick

Für die erfolgsverwöhnte deutsche Autoindustrie kommt es knüppeldick. Betrug bei der Abgasreinigung, mutmaßlich illegale Absprachen unter den einschlägigen Konzernen, ein Zulassungsverbot für bestimmte Nobelfahrzeuge und nun auch noch das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart, das Fahrverboten generell den Weg ebnet.

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Da fällt es wohl auch Fachleuten schwer, noch den Überblick zu behalten. Zumal kaum jemand an ein rasches Ende der Eskalationsspirale glauben mag. Was kommt da noch alles auf VW, Daimler & Co zu?

Spätestens mit dem jüngsten Richterspruch auf Initiative der Deutschen Umwelthilfe ist klar, dass die Autogiganten den Diesel-Skandal nicht länger als eine Art Betriebsunfall abtun können, der mal eben per Software-Update aus der Welt zu schaffen wäre. Zwar muss der Stuttgarter Richterspruch juristisch noch nicht das letzte Wort sein. Aber sein zentrales Argument, wonach der allgemeine Gesundheitsschutz höher gewichtet werden müsse als die Rechte betroffener Kraftfahrzeugbesitzer, lässt sich schwerlich entkräften. Wenn der Luftreinhalteplan der von besonders starken Luftverunreinigungen gebeutelten Landeshauptstadt Baden-Württembergs wirklich das Papier wert sein soll, dann sind Fahrverbote nach heutigem Stand unumgänglich. Den schlagenden Gegenbeweis hat die Autoindustrie bislang nicht geliefert. Ihr Heilsversprechen, die Fahrzeuge durch Nachrüstung beim Schadstoffausstoß wieder salonfähig machen zu können, klingt sehr schwammig. Schon deshalb dürften nun auch andere Großstädte Fahrverbote ernsthaft in Betracht ziehen. Es wäre ein weiterer Sargnagel für den Diesel-Antrieb.

Das Urteil der Stuttgarter Verwaltungsrichter ist allerdings auch eine große Blamage für die Politik. In erster Linie für die Landesregierung, die bekanntlich von einem grünen Ministerpräsidenten angeführt wird. Das traditionelle Bündnis zwischen der Öko-Partei und Umweltverbänden ist stark angekratzt. Für den grünen Wahlkampf dürfte das kaum hilfreich sein. Dabei war auch Winfried Kretschmann zunächst ein Verfechter von Fahrverboten, um später jedoch ebenfalls auf die Nachtrüstungsphilosophie einzuschwenken. Das wirft generell die Frage nach dem Verhältnis zwischen Politik und Automobilwirtschaft auf. Es war Angela Merkel, die vor vier Jahren einen EU-Kompromiss über Verbrauchsobergrenzen torpedierte. Und wenn der ehemalige Verkehrsminister Matthias Wissmann (CDU) inzwischen dem Verband der Automobilindustrie vorsteht und der amtierende Regierungschef von Niedersachsen, Stephan Weil (SPD), in Sachen Diesel-Skandal völlig hilflos wirkt, obwohl er doch im VW-Aufsichtsrat sitzt, dann hat das ebenfalls einen faden Beigeschmack.

Viel Vertrauen ist auf diese Weise den Bach runter gegangen. Mit einem großen Budenzauber namens Diesel-Gipfel in der kommenden Woche in Berlin wird dieses Vertrauen kaum zurückzugewinnen sein, denn irgendwie scheinen doch alle unter einer Decke zu stecken. Es braucht den Druck von unabhängiger Seite, wie jetzt durch die Stuttgarter Verwaltungsrichter.