Meinung Erdogan-Demo in Köln: Schlecht integriert
Die Türkei marschiert stramm in Richtung Erdogan-Diktatur. Seit dem gescheiterten Putschversuch durch Teile des Militärs vor wenigen Wochen wurden mindestens 18.000 Personen festgenommen.
Mag diese hohe Zahl wegen des einschneidenden Ereignisses noch nachvollziehbar erscheinen, so legen die näheren Umstände die Vermutung nah, dass der missglückte Umsturz ein willkommener Anlass für den türkischen Präsidenten ist, um das Land am Bosporus ganz nach seinem selbstherrlichen Gusto zu formen: Frei von jeder ernsthaften Opposition, frei von allen Erdogan-kritischen Medien.
Auch die jüngste Ankündigung, diverse Klagen wegen Präsidentenbeleidigung zurückzunehmen, schmälert nicht die Wucht von Erdogans Gegenoffensive. Wer sollte sich um diese Klagen kümmern, da der türkische Justizapparat derzeit ebenfalls massiv "gesäubert" wird? Rund 3000 Richter und Staatsanwälte sind suspendiert, etwa die Hälfte sitzt in Untersuchungshaft. Nimmt man all diese Tatsachen zusammen, muss es schon erschrecken, dass in Köln zehntausende Deutsch-Türken auf die Straße gehen, um den Diktator zu lobpreisen. Zumal viele von ihnen schon sehr lange in Deutschland leben. Der schöne Begriff von der Integration bekommt hier jedenfalls einen äußerst faden Beigeschmack. Was läuft da schief?
Sicher kann die Lösung nicht darin liegen, den Erdogan-Fans das Demonstrieren fortan zu verbieten. In der Demokratie ist die Meinungsfreiheit ein zentrales Gut. Gerade dadurch unterscheidet sich Deutschland ja auch wohltuend von Erdogans despotischem Gehabe. Trotzdem ist es schwer erträglich, wenn ein türkischer Spitzenpolitiker wie Erdogans Sportminister Kilic in Köln auftreten kann, derweil deutsche Abgeordnete nicht einmal die in der Türkei stationierten Bundeswehrsoldaten besuchen dürfen, da Erdogan es verboten hat. Und ob es der Integration hier lebender Türken dient, wenn ihren Moscheegemeinden Imame vorstehen, die in der Türkei und nicht in Deutschland ausgebildet sind, darf ebenfalls bezweifelt werden.
Ein anderer wunder Punkt ist freilich auch die Leisetreterei der Bundeskanzlerin gegenüber Erdogan. Das Flüchtlingsabkommen mit Ankara darf kein Freibrief sein, um über die eklatanten demokratischen Defizite am Bosporus hinwegzusehen. Mit diesem Kurs ermutigt Angel Merkel den Diktator eher noch dazu, die türkischen Konflikte auf deutsche Straßen zu tragen. Die Kanzlerin muss hier endlich Klartext sprechen.
Von Menschen ausländischer Herkunft, die teilweise schon Jahrzehnte lang in Deutschland beheimatet sind, sollt man erwarten, dass sie sich zuallererst für deutsche Innenpolitik interessieren. Ihr Präsident heißt nicht Erdogan, sondern Gauck. Erst wenn sich diese Überzeugung durchsetzt, kann man von einer gelungenen Integration sprechen. Doch bis dahin ist es wohl noch ein sehr steiniger Weg.