Meinung Es geht nicht um Frieden in Syrien, sondern um Einfluss
Anderthalb Jahre Zeit hat der UN-Vermittler Staffan de Mistura der Genfer Verhandlungsrunde gegeben — dann soll es in Syrien freie Wahlen geben, die das Ende der Macht von Präsident Baschar al-Assad besiegeln sollen.
Dass der Diktator keine Zukunft hat, und dass es mit ihm keine friedliche Zukunft in Syrien geben wird, ist den meisten klar; ob die 18 Monate Verhandlungszeit ausreichen, das Sterben im Land zu beenden, steht freilich in den Sternen. Sehr gewiss ist ein positiver Ausgang nicht. Viel wahrscheinlicher ist, dass der fünf Jahre währende Bürgerkrieg auf dem Schlachtfeld entschieden werden wird.
Zumal selbst am Freitag, zum offiziellen Start der Gespräche, noch nicht einmal klar war, wer überhaupt mit an den Verhandlungstisch darf und will. Das sogenannte Riad-Komitee, das sich als Stimme der gemäßigten Opposition versteht, ist gar nicht erst nach Genf gereist — es verlangt zunächst ein Ende der russisch-syrischen Luftangriffe und der Belagerung von syrischen Städten. Assad und der russische Präsident Putin denken angesichts jüngster Erfolge nicht daran. Die ursprünglich klare Haltung vor allem des Westens, nicht mit Terrororganisationen zu verhandeln, ist nicht zuletzt deswegen einer pragmatischen gewichen. Allzu wählerisch zu sein, will die Diplomatie für Syrien sich nicht mehr leisten.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier macht sich etwa dafür stark, die salafistische Gruppe Ahrar-al-Sham nach Genf einzuladen. Militärisch ist sie in Teilen des Landes eine nicht zu ignorierende Größe und gilt im Vergleich zum IS und zu Al-Kaida als weniger radikal. Dennoch stehen die von der Türkei und Saudi-Arabien alimentierten Islamisten unter Terrorismusverdacht. In Stuttgart läuft seit Dezember ein Prozess gegen vier Männer, die der Truppe Ausrüstung verschafft haben sollen — sie sind der Terrorunterstützung angeklagt. Mit einem demokratischen Syrien hat Ahrar-al-Sham nichts am Hut, kämpft aber gegen Assads Regime und den IS. Was in diesen Tagen offensichtlich ausreicht, um als Guter unter den Bösen durchzugehen.
In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob es sinnvoll ist, die Genfer Gespräche weiterzuführen — mit wem auch immer. Um Frieden geht es dabei in Wahrheit gar nicht, sondern um Einfluss und Macht für die Zeit nach Assad und nach dem IS. Dazu braucht es aber nicht zwingend eine Lösung am Verhandlungstisch. Das Problem ist nur, dass sämtliche Konfliktparteien das genau wissen.