Meinung Grüne starten Rennen zur Spitzenkandidatur: Zwischen allen Stühlen?

Die großen Parteien haben offenkundig ein handfestes Problem in ihren Führungsetagen. Was die Union angeht, so hält sich Angela Merkel weiter darüber bedeckt, ob sie noch ein viertes Mal nach der Kanzlerschaft greifen soll.

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Die Begeisterung in der bayerischen Schwesterpartei hält sich darüber bekanntlich stark in Grenzen. Und in der SPD zögern sie ebenfalls beharrlich, einen geeigneten Herausforderer zu benennen. Schließlich ist Sigmar Gabriel als formal heißester Anwärter nicht unbedingt ein Publikumsmagnet.

Ja, dann macht es doch wie die Grünen, möchte man beiden Lagern zurufen. Die halten eine Urwahl ab, wer sie 2017 in den Bundestagswahlkampf führen soll. Und gleich vier Personen stehen dabei zur Auswahl. Soviel Demokratie ist tatsächlich selten in einer Partei. Wobei die grüne Kandidaten-Show allerdings kein Ersatz für die unbewältigten inhaltlichen Herausforderungen sein kann.

Was die Ökos heute als politische Tugend verkaufen, war ja eigentlich aus der Not heraus geboren. Nur weil sich ihre erste Garnitur im Vorfeld der letzten Bundestagswahl nicht auf ein Spitzenduo einigen konnte, musste schließlich die Basis ran. Das war auch mit großen Verletzungen verbunden. Manche erinnern sich vielleicht noch an die maßlose Enttäuschung der damaligen Grünen-Chefin und Mitbewerberin Claudia Roth, als Katrin Göring-Eckardt überraschend das Rennen machte.

Auch der neue Kandidatenwettlauf, der am Wochenende offiziell eingeläutet wurde, dürfte nicht ohne persönliche Beschädigungen abgehen. Zumal sich gleich drei gestandene Grüne um das "Männerticket" bewerben. Mit Robert Habeck ist darunter auch ein sehr markanter Ländervertreter. Gut möglich, dass sich Habecks bundespolitischer Aufstieg durch ein mögliche Niederlage erledigt, bevor er überhaupt richtig in Gang gekommen wäre. Dabei hätten die Grünen neue und unverbrauchte Gesichter in Berlin dringend nötig.

Fragt man sich, wofür die jeweiligen Kandidaten politisch genau stehen, wird es ohnehin schwierig. Dabei sitzend die Grünen schon seit elf Jahren in der Opposition. Um ihrem Regierungsanspruch gerecht zu werden, wären klare Ansagen nötig. Stattdessen laviert die Partei zwischen Rot-Rot-Grün und Schwarz-Grün. Nicht zuletzt deshalb hakt es auch in der P-Frage, der Suche nach einem mehrheitsfähigen Nachfolger von Präsident Joachim Gauck.

Auch in der Finanzpolitik herrscht bei den Grünen derzeit ein ziemliches Gewürge, was ebenfalls mit dem unbewältigten Farbenspiel zusammenhängt: Würde man sich zum Beispiel auf eine Vermögensteuer festlegen, wären alle schwarz-grünen Planspiele obsolet. So läuft die Partei Gefahr, am Ende zwischen allen Stühlen zu sitzen und womöglich ein weiteres Mal in der Opposition zu landen. Auch die demokratischste Findung ihrer Wahlkampfspitzen wäre dann für die Katz gewesen.