Meinung Härte und Abschottung — die neue europäische Linie

Als im August Zehntausende Syrer über Budapest und Wien nach München kamen und von dort aus in andere deutsche Städte verteilt wurden, hat Deutschland aus humanitären Gründen einseitig eine EU-Regel ausgesetzt.

Foto: Judith Michaelis

Die nämlich, dass Flüchtlinge, die in der Europäischen Union um Asyl bitten, ihren Antrag in dem Land stellen müssen, in dem sie angekommen sind. Dublin-Abkommen nennt sich dieses Verfahren, von dem Deutschland als Binnenstaat sehr lange profitiert hat. Vor allem Italien und Griechenland mussten bis zum Sommer zusehen, wie sie allein mit den Geflüchteten zurechtkamen.

An die Stelle des zwar höchst ungerechten, aber wenigstens geordneten Dublin-Verfahrens ist seitdem ein anderer Mechanismus getreten — der des Durchwinkens von Flüchtlingen. Was wie eine großzügige Geste anmutet, ist nichts anderes als das verschärfte St.-Florian-Prinzip — wir wollen die Habenichtse nicht, kümmert ihr euch. Auf dem Rücken der Geflüchteten, die für Ungarn und die Balkanländer ein Faustpfand sind, mit dem man Brüssel und Berlin politisch disziplinieren will.

Mit dem Durchwinken soll nun Schluss sein. Das will die EU und das will vor allem Deutschland, das im Sommer zwar den Dublin-Geist aus der Flasche gelassen, aber immer noch keine Ahnung hat, wie sie ihn wieder hinein bekommen soll.
Nun soll es der 17-Punkte-Plan vom Brüsseler Minigipfel richten. Von den viel bemühten europäischen Werten der Kanzlerin ist darin nicht viel übrig geblieben. Stattdessen heißt die neue (alte) Linie: Härte und Abschottung. Die Aufnahmeplätze für 100 000 Menschen, die entlang der Balkanroute entstehen sollen, sind nichts anderes als Internierungslager, die den EU-Binnenländern die sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge vom Hals halten sollen. Künftig entscheiden also Grenzer oder Frontex-Leute in Serbien, Kroatin, Slowenien oder Ungarn, wer in Deutschland um Asyl bitten darf. Für Chancenlose ist dann nicht erst in Horst Seehofers Transitzentren das Ende der Reise gekommen, sondern an den Grenzzäunen des Balkans.

Die Einigung von Brüssel, deren schnelle Umsetzung sich erst zeigen muss, erinnert fatal an den Deal mit der Türkei, den Kanzlerin Merkel bei ihrem zu recht kritisierten Besuch vor zwei Wochen ausgehandelt hat. Für jede Menge Geld und allerlei fragwürdige Zugeständnisse soll Ankara den Grenzpolizisten für die EU spielen. Ohne durchzuwinken.