Herzlich willkommen im Wahlkampf - Steinmeier und die NSA
Regierung und Opposition beharken sich in der Späh-Affäre.
Wenn du mit einem Finger auf jemanden zeigst, zeigen die anderen auf dich zurück. Wie wahr diese alte Weisheit ist, erlebt gerade die SPD. Sie hat sich in der Datenaffäre mächtig aufgeplustert. Jedoch weniger in der Sache.
Hätte sie in der Sache völlig anders gedacht als die Union, dann hätte ihre Konsequenz zum Beispiel nicht geheißen, dass Vorratsdaten nur drei statt sechs Monate gespeichert werden sollen. Sondern sie hätte die Vorratsdatenspeicherung ganz abgelehnt. Oder sie hätte mehr Transparenz bei der Kontrolle der Geheimdienste verlangt. Oder die Zusammenarbeit der Geheimdienste mit den USA infrage gestellt.
Nichts von alledem. Stattdessen hieß ihr Zielobjekt Ronald Pofalla (CDU), der als Kanzleramtsminister oberster Chef der Geheimdienste ist. Und tatsächlich bot Pofalla mit seinem anfänglichen Schweigen ja auch große Angriffsflächen. Außerdem hatte man mit ihm sogleich Angela Merkel im Schussfeld.
Doch jetzt wird immer deutlicher: Mindestens die Ausspähung in Deutschland veranstaltete offenbar nicht der US-Geheimdienst NSA, sondern der deutsche Bundesnachrichtendienst BND. Und zwar vom bayrischen Bad Aibling aus. Angeblich betraf das nur die Auslandskommunikation, angeblich waren die Daten, die er den Amerikanern lieferte, um Namen bereinigt, und angeblich wurden keine Deutschen ausgespäht.
Ob das stimmt? Das fragt schon fast keiner mehr. Denn jetzt geht es um eine andere Person. Schließlich wurde die Basis für diese Zusammenarbeit der Geheimdienste 2002 von der damaligen rot-grünen Regierung gelegt. Zu Zeiten der „uneingeschränkten Solidarität“ des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder (SPD).
Also zeigt der Zeigefinger der CDU auf den seinerzeit Verantwortlichen: Frank-Walter Steinmeier (SPD). So hat schnell jeder seinen Lukas zum Hauen gefunden. Die Datenaffäre, die so viele Bürger ängstigt, ist direkt in den Wahlkampfmodus gegenseitiger Beschuldigungen übergegangen. Die Phase der Aufklärung wird übersprungen. Und die Phase der Formulierung rechtlicher und politischer Konsequenzen — möglichst sogar gemeinsam über die Parteigrenzen hinweg - erst gar nicht angepeilt.