Kommentar zur Corona-Krise Seltsamer Schlingerkurs beim Einzelhandel in NRW

Meinung | Düsseldorf · Die Regierung in NRW will den Einzelhandel in der Corona-Krise schrittweise wieder öffnen. Die gelockerten Regeln überraschen jedoch einige – wirklich konsequent sind sie nicht.

Es ist schon seltsam, welche Begründung ausgerechnet der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister dafür anführt, dass das Land NRW neben Babyfachmärkten auch Einrichtungshäusern wieder den Verkauf erlaubt – selbst wenn sie eine Verkaufsfläche von mehr als 800 Quadratmetern haben. Und damit eigentlich nach der zwischen Bund und Ländern getroffenen Einigung geschlossen bleiben müssten. „Da haben wir ein klares wirtschaftliches Interesse“, sagt CDU-Mann Karl-Josef Laumann. Weil es in NRW so viele Möbel- und Küchenproduzenten gebe.

Eine seltsame Argumentation. Genau so könnte doch der Betreiber eines Kaufhauses oder einer Bekleidungskette mit seinen Tausenden Mitarbeitern sagen: „Wir haben ein wirtschaftliches Interesse, wir möchten auch wieder öffnen.“ Es sei eine Wettbewerbsverzerrung, wenn die einen verkaufen dürfen, die anderen nicht.

Die Antwort darauf: Die bloße Teilöffnung im Einzelhandel liegt im Gesundheitsinteresse der Bevölkerung. Dass da ausgerechnet der Gesundheitsminister mit wirtschaftlichen Interessen argumentiert, verwundert denn doch.

Genauso, wie es zumindest auf den ersten Blick verwundert, dass gerade die großen Einzelhändler ihre Türen nicht öffnen dürfen. Denn auf großen Verkaufsflächen kann man doch besser als in einem engen Ladengeschäft mit Hilfe strenger Einlassregelungen jedem Kunden ausreichend Abstand garantieren. Aber eben solche Einlassregelungen funktionieren oftmals dürftig. Wir erleben das dieser Tage immer wieder: Da patrouilliert zwar Wachpersonal am Eingang des Supermarkts, drinnen jedoch stehen die Kunden dicht an dicht an der Fleisch- und Käsetheke.

Die Idee, die großen Einzelhändler zunächst geschlossen zu halten, ist eine andere: Große Anbieter locken auch große Menschenmengen in die City. Menschen, die sich dann auch wieder in Bussen und Bahnen drängen. Das soll vermieden werden. Bei kleineren Händlern hingegen verteilt sich die einkaufende Kundschaft über die Stadt, es gibt keinen solchen Ansturm. Auch kann das kleine Ladengeschäft die Eingangskontrollen besser handhaben.

Die großen Einrichtungshäuser, für die es in NRW nun eine Ausnahme geben soll, so lässt sich immerhin argumentieren, liegen außerhalb der Innenstädte. Die dorthin strebenden Kunden füllen daher auch nicht die Fußgängerzonen. Die Kundschaft kommt meist mit dem Auto. Aber drinnen, im Möbelhaus, kann es sich dann doch wieder in den winkligen Bereichen knubbeln. Dieses Risiko einzugehen und damit den vorgegebenen Weg „Gesundheits- vor Wirtschaftsinteresse“ zu verlassen, ist alles andere als konsequent.