Meinung Richter im Medienzeitalter

Wenn der Bundesjustizminister jetzt die Gerichtssäle für Kameras öffnen will, so macht er das zu Recht behutsam. Unbedenklich und überfällig ist dabei die Regelung, Kameras zuzulassen, um die Übertragung aus einem mit Zuschauern voll besetzten Gerichtssaal in einen Nebenraum zu ermöglichen.

Foto: Sergej Lepke

So wird weiteren Interessierten vor Ort die Chance gegeben, das Geschehen zu verfolgen. Dabei geht es nur um eine mit technischen Mitteln bewirkte Erweiterung des Gerichtssaals.

Eine komplette Ausdehnung auf eine Übertragung im Fernsehen wäre dagegen falsch. Denn Kameras im Gerichtssaal können die Realität verändern. Verteidiger oder Staatsanwälte werden zu „Fensterreden“ verleitet, wenn sie wissen, dass die Verhandlung vor einem Millionenpublikum stattfindet. Angeklagte und Zeugen werden eingeschüchtert oder verhalten sich überzogen selbstdarstellend. Hinzu kommt eine Prangerwirkung gegen einen Angeklagten, dessen Verurteilung gar nicht feststeht und dessen Bild sich dennoch ins öffentliche Gedächtnis einbrennt. Bei vollständiger Übertragung einer Gerichtsverhandlung könnten Zeugen, die für spätere Verhandlungstage geladen sind, ihre Aussage an das via TV bekannt gewordene Geschehen anpassen.

All diese Gegenargumente berücksichtigt der Vorstoß des Justizministers durchaus. Daher geht es bei der Initiative auch nur darum, die Entscheidungen der Obersten Gerichtshöfe zu übertragen. Solche Urteile, an denen sich untere Gerichtsinstanzen orientieren, haben eine ähnliche Wirkung wie ein Gesetz. Daher ist es nicht unzumutbar für die Richter, dass ihnen die Öffentlichkeit bei ihrer Urteilsbegründung zuhört — so wie bisher schon bei Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. Wichtig ist nur, dass es bei den engen Ausnahmen vom Kameraverbot bleibt und die Neuregelung kein Einfallstor für weitere Begehrlichkeiten ist — für Gerichtsreportagen, wie sie etwa aus dem US-Fernsehen bekannt sind.