Meinung Sampeln ist (k)eine Kunst
Und so sehen wir betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen. Mit dieser Verballhornung eines Brecht-Zitates pflegte Marcel Reich-Ranicki das Literarische Quartett zu beenden. Auf den ersten Blick könnte sie auch für das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Sampling gelten.
Auf den zweiten aber hat der Erste Senat bereits die Antwort auf eine grundlegende Frage gegeben: Ist das Verwenden — oder verwursten — von kurzen Tonaufnahmen bereits Diebstahl fremden geistigen Eigentums oder handelt es sich um eine anerkannte, längst nicht mehr aus der Kunst wegzudenkende Technik der Musikproduktion?
Um im Bild zu bleiben: In der Angelegenheit fällt der Vorhang noch ein weiteres Mal: Wenn der Bundesgerichtshof (BGH) den beinahe zwei Jahrzehnte andauernden Rechtsstreit der Herren Hütter und Pelham abschließend entscheidet. Immerhin kann der Frankfurter Rapper nun einen wichtigen Etappensieg für sich verbuchen. Er hat aus dem nur zwei Sekunden dauernden Sound-Schnipsel, ungefragt aus einem Kraftwerk-Lied entnommen, ein neues, eigenständiges Kunstwerk geschaffen. Das durfte er, urteilten am Dienstag die Verfassungsrichter.
Entscheidend ist gar nicht die Länge des — wohlwollend ausgedrückt — musikalischen Zitates. Die zwei Sekunden laufen in dem von Pelham produzierten Stück in Dauerschleife, liefern also die musikalische Basis für die Neukomposition. Wichtiger ist vielmehr, dass die Karlsruher Richter das Sampling als kreative Technik auch als solches anerkannt haben. Ein Verbot würde „die Schaffung von Musikstücken einer bestimmten Stilrichtung praktisch ausschließen“. Damit ist Karlsruhe in der Popkultur des 21. Jahrhunderts angekommen. Gut so.
Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen, im Gegenteil. Denn das Urteil birgt reichlich Konfliktpotenzial — mit Blick auf eine mögliche Bezahlpflicht für gesampelte Beats. Die könnte der BGH verpflichtend einführen und damit eine Klagewelle lostreten