Meinung Soll der Bundestag auf die Diätenerhöhung verzichten? Ein Pro und Contra

Die Abgeordneten des Bundestags verzichten in diesem Jahr wie angekündigt auf die automatische Erhöhung ihrer Diäten, also ihres Gehalts. Die Maßnahmen hätten sogar noch weitergehen sollen, meint Hagen Strauß. Den Beschluss findet Werner Kohlhoff dagegen nicht richtig. Ein Pro und Contra.

Die 709 Abgeordneten des Deutschen Bundestags werden angesichts der Corona-Krise in diesem Jahr auf ihre regelmäßige Diätenerhöhung verzichten.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Pro von Hagen Strauß

Ein Kommentar von Hagen Strauß.

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Ja, denn wenn alle den Gürtel enger schnallen müssen, dürfen sich Politiker davon nicht ausnehmen. Die Maßnahmen hätten sogar noch weitergehen sollen.

Nein, Abgeordnete sind nicht überbezahlt. Wer den Job macht, macht ihn gewissenhaft und mit großem Aufwand. Ob im Parlament oder im Wahlkreis. Ausnahmen bestätigen die Regel, klar. Wie im echten Leben. Dass der Bundestag nun die turnusmäßige Erhöhung seiner Diäten aussetzen will, ist ein wichtiges Signal - und zwar genau gegen das Vorurteil, Parlamentarier seien so etwas wie Raffkes, die vor allem ihre eigenen Privilegien im Blick haben. Das sogar noch in der Krise.

Wichtiger ist aber: Wenn wegen Corona viele den Gürtel enger schnallen müssen, dann bitteschön auch die Volksvertreter. Und am besten die Bosse in den Vorstandsetagen der Unternehmen gleich mit. Hunderttausende Arbeitnehmer sind schließlich in Kurzarbeit, Millionen bangen um ihre Existenz. Ob Gastronome, Hoteliers, Mittelständler oder Kulturschaffende. Sie alle wissen nicht, wie es in den nächsten Monaten weitergehen soll. Da ist es nur recht und billig, wenn auch Abgeordnete wenigstens etwas Verzicht leisten. Schließlich haben sie eine Vorbildfunktion. Und mal ehrlich – wehtun wird die Nullrunde keinem.

Insofern hätte man auch noch weitergehen können. Oder besser gesagt: weitergehen müssen. Nämlich, für eine gewisse Zeit die Diäten auf das Niveau des Kurzarbeitergeldes abzusenken.

60 Prozent für jeden Abgeordneten, 67 Prozent für jene mit mindestens einem Kind. Das wäre ein bärenstarkes Zeichen in der jetzigen Situation. Zumal die Parlamentarier im Moment in Kurzarbeit sind, wie der arg eingestampfte Sitzungskalender zeigt.

Rechtlich schwer umzusetzen, mag es dann heißen. Dass jedoch in der Krise nichts unmöglich ist, zeigt sich anhand der gigantischen Hilfspakete, die kurzerhand aus der Taufe gehoben und durch den Bundestag gepeitscht wurden. Da man ja nicht weiß, wie die Pandemie sich entwickeln wird, könnten die Parlamentarier allerdings noch weitere Chancen bekommen, deutlich mehr finanzielle Solidarität zu zeigen. Schön wär’s.

Contra von Werner Kolhoff

Ein Kommentar von Werner Kolhoff.

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Nein, die Abgeordneten sparen am falschen Ende und fachen eine unnütze Diskussion wieder an. Ein anderer Beschluss hätte tatsächlich ein Zeichen gesetzt.

Solidarität ist wichtig in diesen Zeiten, Symbolik auch. Insofern wird die Absicht der Bundestagsabgeordneten, auf ihre nächste Diätenerhöhung zu verzichten, sicher gut ankommen. Richtig ist der Beschluss trotzdem nicht.

Mit der Reform von 2014 gab es endlich einen Orientierungsrahmen für die Abgeordnetenentschädigung: Das damalige Einkommen von obersten Bundesrichtern als Basis und dann eine jährliche Erhöhung entsprechend der Lohnentwicklung des jeweils zurückliegenden Jahres. Das war ein klarer, jedem Selbstbedienungsverdacht entzogener Maßstab. Und bremste die unseligen Neiddebatten und die antiparlamentarische Stimmungsmache.

Der Bundestag hebelt dieses Verfahren nun wieder aus, und zwar ohne Not. Eine Ausnahme zieht die nächste nach sich – der Ruf, zu verzichten, wird nun jedes Jahr erschallen. Gründe finden sich immer. Dabei gab es aktuell gar keine Kritik an den Abgeordneten, zumal die Corona-Hilfspakete sehr zügig verabschiedet wurden. Außerdem: Alle anderen verzichten selbstverständlich nicht, sondern nehmen die in guten Zeiten beschlossenen Gehaltserhöhungen mit. Auch die Rentner, die eine kräftige Erhöhung der Altersbezüge erwarten dürfen, ebenfalls noch auf der Basis der Lohnentwicklung des Jahres 2019. Im nächsten Jahr wird es für alle anders aussehen. Dann hätte der Bundestag sowieso eine Nullrunde gehabt. Jetzt werden es zwei.

Die Nachricht, dass die Abgeordneten durch ihren Verzicht 2,5 Millionen Euro sparen wollen, klingt gut, ist es aber nicht. Wirklich gut wäre diese: Der Bundestag hat als Konsequenz aus der Corona-Krise seine Verkleinerung von 700 auf 600 Sitze beschlossen. Möglich wurde das durch einen Verzicht von CDU/CSU auf ihren Vorteil bei den Direktmandaten. Die Maßnahme spart 100 Millionen Euro pro Jahr und macht das Parlament arbeitsfähiger.

Das wäre der richtige Beschluss in dieser Zeit. Er steht leider nicht auf der Tagesordnung.