Handel Aldi Nord verkürzt ab November die Öffnungszeiten - was Rewe, Edeka und Co. dazu sagen

Essen · Aldi Nord will den Großteil seiner Filialen im Winter früher schließen. Die Konkurrenz schaut zu und hält sich erst einmal zurück. Dafür gibt es Experten zufolge gute Gründe.

Lebensmittel liegen in einem Einkaufswagen in einem Supermarkt.

Energiesparen ist in diesem Winter auch im deutschen Einzelhandel ein großes Thema. Der Discounter Aldi Nord übernimmt nun eine Vorreiterrolle. Als erster großer Lebensmittelhändler kündigte er an, in diesem Winter die Öffnungszeiten in rund 70 Prozent der gut 2200 deutschen Filialen zu verkürzen. „Mit den kürzeren Öffnungszeiten in der großen Mehrheit unserer Märkte wollen auch wir einen aktiven Beitrag zum Energiesparen leisten“, teilte der Discounter mit. Statt um 21.00 oder 22.00 Uhr soll die Mehrheit der Filialen von November an einheitlich bereits um 20.00 Uhr schließen.

Länger geöffnet bleiben sollen die Filialen dort, wo dies vertraglich festgeschrieben ist - etwa in Einkaufszentren. Auch Filialen, wo die Kundenfrequenz zwischen 20.00 und 21.00 Uhr besonders hoch ist, will der Discounter von der Neuregelung ausnehmen. Auf die Anzahl der Beschäftigten werde der Schritt keine Auswirkungen haben, versicherte das Unternehmen. Die Regel gelte zunächst für die Winterzeit 2022/23.

Tatsache ist: Auch der Handel leidet unter dem enormen Anstieg der Energiekosten. Rewe-Chef Lionel Souque rechnete kürzlich vor, die Energiekosten für einen Supermarkt mit 1000 Quadratmetern hätten sich von 80 000 auf 140 000 Euro im Jahr erhöht.

Kürzere Ladenöffnungszeiten sind in der Branche deshalb schon seit einiger Zeit ein Thema. Der Geschäftsführer der Handelskette Tegut, Thomas Gutberlet, warb nach Informationen der „Lebensmittel Zeitung“ bereits im September in einem Brief an die 16 Landesregierungen für Einschnitte. Vorbild könne die Regelung in Bayern sein, wo die Läden spätestens um 20.00 Uhr schließen müssen. „Kurzfristig würde eine Reduzierung helfen, Energie zu sparen; langfristig würde es das Berufsbild im Einzelhandel wieder attraktiver machen“, sagte Gutberlet dem Fachblatt.

Im Moment sieht es dennoch nicht so aus, als werden die Wettbewerber dem Vorbild von Aldi Nord mit fliegenden Fahnen folgen. Im Gegenteil. Die Rewe-Gruppe teilte mit, eine Verkürzung der Öffnungszeiten zur Energieeinsparung werde weder bei den Rewe-Supermärkten noch bei der konzerneigenen Discountkette Penny erwogen. „Die damit erzielbare Energieeinsparung wäre marginal“, betonte ein Firmensprecher. Denn mehr als die Hälfte des Energiebedarfs in den Märkten entfalle auf die Kältetechnik und sei unabhängig von den Öffnungszeiten.

Auch Deutschlands größter Lebensmittelhändler Edeka teilte mit ähnlicher Begründung mit, er sehe derzeit keinen Anlass, seinen Kunden „einen reduzierten Service anzubieten“. Kaufland winkte auf Anfrage ebenfalls ab. „Bei der Festlegung unserer Ladenöffnungszeiten stehen die Erwartungen unserer Kunden im Vordergrund. Dabei kommen die langen Öffnungszeiten insbesondere den Berufstätigen entgegen.“ Der Discounter Lidl werde den Kunden ebenfalls weiterhin während der gewohnten Öffnungszeiten zu Verfügung stehen, hieß es von der Schwarz-Gruppe, zu der Kaufland und Lidl gehören.

Auch die Bio-Kette Alnatura sieht keinen Grund, die Öffnungszeiten zu verkürzen. Schließlich seien die Märkte aus Nachhaltigkeitsgründen schon immer auf eine bestmögliche Energiebilanz ausgelegt worden. Selbst bei Tegut hieß es trotz des Brandbriefes des Geschäftsführers, dass es noch keine konkreten Pläne für kürzere Öffnungszeiten gebe.

Das Aldi-Nord-Schwesterunternehmen Aldi Süd hielt sich derweil bedeckt, was seine Pläne angeht. Man richte seine Öffnungszeiten nach den Bedürfnissen der Kundinnen und Kunden aus und berücksichtige bei Bedarf gesellschaftspolitische Themenstellungen, hieß es dort auf Anfrage vieldeutig.

Der Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf kann das Zögern gut nachvollziehen. Zwar helfe die Verkürzung der Ladenöffnungszeiten bei der Bewältigung zweier Problem, mit denen die Händler derzeit zu kämpfen haben: den explodierenden Energiekosten und der Personalknappheit. Dennoch sei ein solcher Schritt mit großen Risiken verbunden.

„Die Händler öffnen damit der Online-Konkurrenz die Türen noch weiter. Außerdem laufen sie Gefahr, Kunden zu verärgern“, sagte Fassnacht. Denn aus Kundensicht sei die Verkürzung der Öffnungszeiten ein Rückschritt. „Die Menschen haben sich an die langen Öffnungszeiten gewöhnt. Der Handel nimmt ihnen da ein Stück Bequemlichkeit.“

(dpa)