„Düsseldorfer Reden“ Publizistin Alice Hasters spricht über Rassismus im Theaterbetrieb

Düsseldorf · Publizistin Alice Hasters befasste sich im Rahmen der Reihe „Düsseldorfer Reden“ im Schauspielhaus mit Rassismus im Theaterbetrieb.

 Alice Hasters verwies in ihrer Rede im Düsseldorfer Schauspielhaus auf die prekären wirtschaftlichen Verhältnisse im Theaterbetrieb.

Alice Hasters verwies in ihrer Rede im Düsseldorfer Schauspielhaus auf die prekären wirtschaftlichen Verhältnisse im Theaterbetrieb.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Die 32-jährige Alice Hasters stand allein am Pult auf der weiten Bühne im Großen Haus des Düsseldorfer Schauspiels und gestand: „Ich habe noch nie eine öffentliche Rede gehalten.“ Die Premiere erwies sich als Ereignis, das zu Recht unter dem Serientitel „Düsseldorfer Reden“ lief. Denn Alice Hasters knüpfte an einen Skandal an, der sich vor zwei Jahren am Ort ihrer Rede zutrug und den sie bitter kommentierte mit der Feststellung, es habe sich bis heute nichts geändert.

Zunächst aber stellte sich die Publizistin vor: als Tochter „einer schwarzen Frau aus Philadelphia und eines weißen Mannes aus Düsseldorf“, die in Köln zur Welt kam, dort und in München studierte und heute unter der Selbstbezeichnung als Schwarze schreibt. Bekannt wurde sie vor drei Jahren durch ihren Bestseller „Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen, aber wissen sollten“. „Struktureller Rassismus“ wurde zum meistbenutzten Begriff des Vortrags. Er bezeichnet Routinen, die so ausgestaltet sind, dass überdurchschnittlich oft und regelmäßig People of Colour diskriminiert werden.

Struktureller Rassismus mache nicht vor dem Theater halt

Nicht nur Weiße seien rassistisch sozialisiert, so betonte Hasters, doch Weiße seien dadurch privilegiert, aufgewachsen mit der Botschaft, dass Weiße besser als Schwarze seien, weil man Schwarze oft mit Armenvierteln in Verbindung bringe. Daraus erklärte die Publizistin auch die Tatsache, dass Ukrainer hierzulande mit offenen Armen aufgenommen werden, während dunkelhäutige Geflüchtete in ihren Booten auf dem Mittelmeer häufig zurückgeschickt würden, so dass sie auf türkische Retter angewiesen seien.

Auch dies ist struktureller Rassismus. Er macht vor dem Theater nicht halt, da war Alice Hasters in doppeltem Sinne in ihrem Element. „Das ist nicht genial, das ist Machtmissbrauch“, so hatte sie ihre Rede überschrieben und Intendanten, Regisseure und andere führende Köpfe der Zunft gemeint, die übergriffig geworden sind oder auf andere Art Grenzen unzulässig überschritten haben. Wie viel Machtmissbrauch muss man dulden, damit ein Genie sich entfalten kann? Wessen Freiheit schützen wir? Alice Hasters stellte sich diesen häufig gehörten Fragen, indem sie auf die „prekären“ wirtschaftlichen Verhältnisse im Theaterbetrieb verwies, auf die zahlreichen befristeten Verträge und die starke Abhängigkeit von den Vorgesetzten. Von Matthias Hartmann, dem einstigen Leiter des Wiener Burgtheaters, bis zum Regisseur und Drehbuchautor Dieter Wedel ist das manch Prominentem zum Verhängnis geworden, weil er glaubte, seine Genialität gestatte ihm alles.

Unter solcher Selbstherrlichkeit weißer Männer hätten Schwarze gleich welchen Geschlechts kaum eine Chance. „Haben Sie schon einmal eine Schwarze als Königin auf der Bühne gesehen?“, fragte Hasters und erläuterte dann, wie sie als Kind ihrer im Theaterbetrieb beschäftigten Eltern beim Casting durchgefallen war oder eine angebotene Rolle als unzumutbar ablehnte.

Man müsse nämlich, so führte Alice Hasters aus, in bestimmte Schemata passen. Da gibt es zum Beispiel das farbignorierende Casting, die milieuorientierte Besetzung eines schwarzen Menschen als Putzfrau oder Drogendealer oder die schwarze Besetzung von Rollen, die einen „irgendwie anderen“ Menschen verkörpern. Im Übrigen, so befand Hasters, müsse auf der Bühne nicht jede Freiheit geschützt werden: „Wahrscheinlich wird es Originale wie Klaus Kinski nicht mehr geben. Aber wäre das ein Verlust?“, fragte die Publizistin. Der Skandal, der sich vor zwei Jahren am Düsseldorfer Schauspielhaus zutrug, spielte sich im Probenbetrieb ab. Der Schauspieler Ron Ighiwiyisi Iyamu, als Sohn eines Nigerianers und einer Deutschen in Deutschland geboren, beklagte sich über rassistische Witze von Kollegen und über den auf ihn bezogenen Satz „Wann schneiden wir eigentlich dem ,N-Wort‘ die Eier ab?“.

Dieser Fall und andere sind nach Hasters‘ Meinung noch nicht gelöst, es habe sich seitdem nichts geändert. Wie es weitergehen soll? Alice Hasters wies in ihren Schlussworten den Weg: „Für Menschen, die schon lange unterdrückt werden, ist Stehen bleiben keine Option.“

Das überwiegend traurige Fazit der Matinee im Düsseldorfer Schauspielhaus: Alice Hasters hat in allen Punkten recht.