Antisemitismus Ein Ehrenamt als Bekenntnis gegen den Judenhass in NRW

Düsseldorf · Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist die bundesweit schon sechste Antisemitismusbeauftragte. Alle wurden erst dieses Jahr berufen.

Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist die erste Antisemitismusbeauftragte in NRW.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Als der Landtag im Juni beschloss, die Stelle eines Antisemitismusbeauftragten zu schaffen, gab es derer schon vier in Deutschland: auf Bundesebene, in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bayern. Inzwischen ist noch Hessen hinzugekommen. Und seit vergangener Woche hat das Amt auch in NRW ein Gesicht: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (67), zweimal Bundesjustizministerin und linksliberale Streiterin für Grundrechte, Minderheitenschutz und Rechtsstaatlichkeit, ist mit ihrer Berufung auf fraktionsübergreifende Zustimmung gestoßen.

Die Freidemokratin betritt die Staatskanzlei am Dienstag in Begleitung von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und seinem Stellvertreter Joachim Stamp (FDP) – und ist damit gleich am richtigen Ort: Ihr neues Ehrenamt ist dem Geschäftsbereich des Ministerpräsidenten zugeordnet, hier wird künftig ihr Büro sein; ein Referent und eine Sachbearbeiterin stehen ihr zur Seite. Dass Leutheusser-Schnarrenberger selbst gar nicht in NRW wohnt, sondern in Feldafing am Starnberger See, ist für sie kein Problem: „Ich werde die Zeit einbringen, die notwendig ist.“

Zeit, die laut Laschet vor allem diesen Zielen dienen soll: präventive Maßnahmen gegen Antisemitismus in die Wege zu leiten; Ansprechpartnerin für Opfer zu sein; die Regierung zu beraten; und jährlich dem Landtag und der Landesregierung einen Bericht vorzulegen. Die besorgniserregende Zunahme antisemitischer Vorfälle erfordere, so der Ministerpräsident, „auch eine institutionelle Reaktion“. Nimmt man diese als Maßstab, zeigt sich die drängende Aktualität des Problems: Ausnahmslos alle Antisemitismusbeauftragten in Deutschland wurden in diesem Jahr berufen.

Es gehe um „die Verteidigung der offenen Gesellschaft“, sagt Stamp. Einen Vergleich der Gegenwart mit Weimarer Verhältnissen lehnt er ab. „Aber die Weimarer Republik ist nicht nur an Extremisten gescheitert, sondern auch an der Ambivalenz des Bürgertums.“

Dass der Antisemitismus allen Verweisen auf die Geschichte zum Trotz in wachsendem Maße wieder bis in die Mitte der Gesellschaft ausstrahlt, macht Leutheusser-Schnarrenberger auch an einem veränderten Diskussionston fest. Sie nennt die AfD nicht explizit, spricht aber von speziell „einer Partei“, die das politische Klima verändere und das Brechen von Tabus begünstige.

Ihr Amt wird die Juristin offiziell erst Anfang 2019 antreten. Dann will sie zunächst mit den jüdischen Verbänden und den Landtagsfraktionen in Verbindung treten. „Ich werde auch dem Vorsitzenden der AfD-Fraktion ein Gespräch anbieten“, kündigt sie an. Die AfD hatte im Landtag dem von den übrigen vier Fraktionen gestellten Antrag auf Einrichtung eines Antisemitismusbeauftragten mit zugestimmt.

Armin Laschet erinnert daran, dass die Judenfeindlichkeit trotz des Holocaust aus Deutschland nie verschwunden ist: „Seitdem jüdisches Leben wieder entstanden ist, werden Synagogen überwacht, nicht erst seit 2015. Manche tun ja so, als wenn Antisemitismus importiert wäre.“ Gleichwohl: Leutheusser-Schnarrenberger sei auch in der muslimischen Community akzeptiert, sagt Integrationsminister Stamp. Daher sei ihre Berufung für den Brückenbau „eine ganz wichtige Entscheidung“.

Es müsse deutlich werden, sagt Leutheusser-Schnarrenberger, „dass wir wollen, dass Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland bleiben und hier ihre Religion leben“. Eine erste Tuchfühlung mit ihrer neuen Aufgabe steht für die Beauftragte schon wenige Stunden nach ihrer offiziellen Vorstellung an: Noch am Dienstagabend trifft das Landeskabinett auf Vertreter der jüdischen Landesverbände – zum ersten Mal seit elf Jahren.