Antisemitismus Antisemitismus – ein Alltagsphänomen

DÜSSELDORF · Jahresbericht zu Antisemitismus vorgestellt.

Jörg Rensmann, Leiter der RIAS (Meldestelle für Antisemitismus in Nordrhein-Westfalen) mit NRW-Integrationsministerin Josefine Paul.

Foto: dpa/Oliver Berg

Von Peter Kurz


Rias - das steht für Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus. Seit 2022 gibt es, wie in anderen Bundesländern, eine solche Stelle auch in Nordrhein-Westfalen. Mit Standorten in Düsseldorf, Köln und Dortmund. Die Aufgabe der vom Land unterstützten Einrichtung:  Das Aufhellen des Dunkelfeldes von Antisemitismus im Alltag. Um auf diese Weise antisemitische Vorfälle zu verorten und dagegen vorzugehen, wie es Integrationsministerin Josefine Paul sagt. Die Grünen-Politikerin stellte jetzt zusammen mit Jörg Rensmann, dem Leiter von Rias NRW, den ersten Jahresbericht der Organisation vor.

Ein antisemitischer Vorfall kann beispielsweise eine beiläufige Bemerkung im Gespräch sein, eine antisemitische Schmiererei oder ein tätlicher Angriff. Ob ein Vorfall in die Statistik beziehungsweise in den Jahresbericht eingeht, dafür ist die Frage einer Strafbarkeit nicht entscheidend. Es geht um antisemitische Diskriminierung auch unterhalb dieser Schwelle. Bekannt werden die Fälle von Diskriminierung der Rias durch Betroffene oder auch durch Zeugen.  

Weil es der erste Jahresbericht ist, gibt es keine Vergleichbarkeit mit früheren Zahlen. Rensmann fasst das Ergebnis für 2022 zusammen: Insgesamt habe es 264 von Rias als antisemitisch eingestufte Vorfälle gegeben: Vier Fälle extremer Gewalt, fünf Angriffe, sechs Bedrohungen, 27 gezielten Sachbeschädigungen, 60 Versammlungen mit antisemitischer Zielrichtung und 153 Fälle verletzenden Verhaltens wie etwa herabwürdigenden Äußerungen.

264 Fälle, das seien fünf pro Woche in NRW, Antisemitismus sei ein Alltagsphänomen, mahnt Rensmann. Meist geschehe dies im öffentlichen Raum. Und, das sei besonders bedrückend, auch in Schulen. Allein 37 Fälle in Bildungseinrichtungen seien 2022 registriert worden. Das sei ein Alarmzeichen. Und es sollte auch aufschrecken, dass 33 Fälle an jüdischen Gedenkorten registriert wurden, sagt Rensmann.

Rias teilt die Vorfälle in verschiedene Kategorien ein. Von den 264 Vorfällen betreffen 111 den sogenannten Post-Schoa-Antisemitismus, das Leugnen oder Bagatellisieren des Massenmordes an Jüdinnen und Juden. 105 Vorfälle fielen in die Kategorie „Othering“ (englisch other: anders): Juden werden als fremd, als nicht-dazugehörig ausgeschlossen. 88 Antisemitismus-Fälle hatten einen Israel-bezogenen Hintergrund: Die so Diskriminierten werden für Israels Regierungshandeln verantwortlich gemacht.  68 Vorfälle hatten Verschwörungserzählungen als Grundlage. Und es gab 20 Fälle von sogenanntem Anti-Judaismus - religiös begründete Stereotype, Juden seien für den Tod von Jesus verantwortlich.