Kultur Die Ausstellung im Essener Folkwang-Museum ist das Ergebnis der ersten Pina Bausch Professur durch die Künstlerin Marina Abramović
Wuppertal · 54-Stunden-Performance geht an Grenzen.
Von Pina Bausch spricht Performancekünstlerin Marina Abramović stets voller Bewunderung. Bauschs Tanztheater sei relevanter denn je, sagte Abramović bei der Pressekonferenz, die am Freitag auf „54 Hours Performances“ im Folkwang-Museum Essen einstimmte. Diese Ausstellung haben zwei Dutzend Studierende der Folkwang Universität unter der Leitung von Abramović entwickelt.
Die Ausstellung ist das sichtbare Ergebnis der ersten Pina Bausch Professur – benannt nach der Leiterin des Wuppertaler Tanztheaters, die selbst in den Sechzigerjahren an der Folkwang-Universität studierte. Dass Abramović erste Inhaberin der zum Wintersemester 2022/23 eingerichteten Gastprofessur ist, schließt einen Kreis.
Organisatorischer Rahmen, in dem die Gastprofessorin und ihre Studierenden im Alter zwischen 17 und 42 Jahren zusammenfanden, ist das „Free Interdisciplinary Performance Lab“ (FIPL). Der Name ist Programm, denn zu den Beteiligten gehören bildende Künstler, Fotografen, Tänzer, Musiker, aber auch Regisseure und Komponisten.
Seit Freitag bilden ihre Performances einen Parcours, der die Besucher des Folkwang-Museums vom Eingang durch die Ausstellungshalle bis in die Lichthöfe führt – neun Tage lang und ab mittags sechs Stunden pro Tag. Das Konzept der Langzeit-Performances geht auf Abramović zurück, die damit seit fünf Jahrzehnten die internationale Kunstszene prägt.
Im Mittelpunkt standen dabei Fokussierung, Ausdauer und Konzentration. Abgesehen davon hatten die Studierenden maximale künstlerische Freiheit. Zur Vielfalt der Arbeiten gehört, dass sie klangliche, skulpturale und multimediale Elemente nutzen, um den Einsatz des Körpers zu unterstützen.
Auf die wohl intensivsten Tage ihres Lebens haben sie sich in vier Workshop-Phasen vorbereitet – zuletzt in einem abgelegenen Ort in den griechischen Bergen. Unter den aufmerksamen Augen ihrer Professorin, deren Assistenten Billy Zhao und des Projektleiters Wayne Götz haben alle Teilnehmer persönliche Geschichten in performative Aktionen und Umgebungen verwandelt. Entstanden ist ein kollektives Porträt, in das Erfahrungen, Erinnerungen und Wünsche eingeflossen sind.
Selbst ihre Ängste hätten die Studierenden zum Thema gemacht, berichtete Abramović. Teilnehmerin Klara Günther etwa hat sich in ihrem Beitrag „The Chicken“ nicht nur der eigenen Nacktheit gestellt, sondern auch dem Angsttraum, in ein Huhn verwandelt zu werden.
Auch die Besucher selbst
spielen eine wesentliche Rolle
In „54 Hours Performances“ spielen die Besucher, die sich durch das Museum bewegen, eine wesentliche Rolle. Bei einer Reihe von Werken ist Publikumsbeteiligung gefragt. Dabei variieren die Beiträge von Raum zu Raum. Mal ist das Publikum Subjekt der Aufführung, mal Anstoßgeber, der Anweisungen zur Mitgestaltung einer Performance erhält. Auf diese Weise wird es Teil einer kollektiven Erfahrung.
Obwohl Abramović bei der Ausstellungseröffnung per Live-Video aus New York zugeschaltet werden musste, nahm sie rege teil am Austausch mit den Gästen. Die Workshops hätten aus den Studierenden eine „unfassbar starke Gemeinschaft“ gemacht, antwortete sie auf die Frage von NRW-Kulturministerin Ina Brandes. Bei den Proben eines Performers seien immer alle anderen dabei gewesen, um auf die Begegnung mit den Museumsbesuchern vorbereiten.
Zwischen praktischem Tun und Lehre wolle sie keinen Unterschied machen, betonte die international renommierte Künstlerin. Wenn sie jemand in den Workshops als „strenge Lehrerin“ wahrgenommen hätte, gehe das in Ordnung. Sie selbst habe unheimlich viel von den Studierenden und deren „Zeitgenossenschaft“ gelernt.
Neben den beiden Folkwang-Institutionen und der Landesregierung wird die Gastprofessur, die von Jahr zu Jahr wechselt, von der Pina Bausch Foundation getragen. Für die Stiftung trat Salomon Bausch ans Rednerpult, der von einem „besonderen Tag“ sprach. Besonders auch in dem Sinne, dass der 30. Juni der Todestag seiner Mutter ist – und nun eben auch der erste Tag der „54 Hours Performances“.
Abramovićs Enthusiasmus und Energie, so Bausch, hätten das Ausstellungsprojekt auf den richtigen Weg gebracht. Diesem Urteil schloss sich Andreas Jacob, Rektor der Folkwang-Universität, an: „Die Arbeit mit Marina Abramović war ein grandioser Auftakt für unsere neu eingerichtete Pina Bausch Gastprofessur.“ Mit dem „Free Interdisciplinary Performance Lab“, meinte Museumsdirektor Peter Gorschlüter, „setzen wir ein deutliches Zeichen für die Interdisziplinarität des Museum Folkwang und führen unsere Programmatik im Bereich Tanz und Performance weiter.“