Pflege Der Abschied fällt jedes Mal schwer
Niedersprockhövel · Ziegenbock Moritz fällt im Gehege unter seinen hellen Artgenossen nicht nur durch sein braunes Fell auf, sondern vor allem dadurch, dass er nur ein Horn hat.
. Ziegenbock Moritz fällt im Gehege unter seinen hellen Artgenossen nicht nur durch sein braunes Fell auf, sondern vor allem dadurch, dass er nur ein Horn hat. Und wer genauer hinschaut, der sieht große dick verkrustete, wuchernde Stellen auf seinem Rücken. Der zwei- bis dreijährige Ziegenbock war eins von vielen Tieren, die wegen tierquälerischer Haltung beschlagnahmt wurden und der jetzt auf dem Gnadenhof von Annette Conrad an der Bochumer Straße in Niedersprockhövel regelmäßig zu fressen bekommt und in meckernder Gesellschaft lebt.
„Das jetzt fehlende Horn musste ihm entfernt werden, weil es aufgrund eines genetischen Effekts in die andere Richtung gewachsen war und ihm den Rücken wund scheuerte“, erklärt Annette Conrad. Schlimmer jedoch sind seine Hautprobleme: „Ihm werden jetzt Gewebeproben entnommen, die dann analysiert werden. Dann soll für ihn ein spezieller Impfstoff entwickelt werden“, so Conrad, die sich seit rund zwei Jahrzehnten auf ihrem zwei Hektar großen Gelände um rund 60 kranke, alte und „nutzlos“ gewordene Tiere kümmert. Ohne finanzielle Unterstützung oder Zuschüsse von außen, wie sie betont. „Für Futter, Tierarzt und erforderliche Anschaffungen schieße ich pro Monat rund 1000 Euro aus eigener Tasche dazu“, erfahren wir.
Zuletzt hatte die Tierfreundin sich jedoch mal mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit gewandt: Da ging es um Boris, einen Schafbock, der seinen Stall mit der alten Lotti und deren blindem Sohn Hugo teilt. „Wegen Versteifung seiner Gelenke kann Boris nicht mehr laufen. Deshalb sollte für ihn ein fahrbarer Untersatz entwickelt und angeschafft werden. Da habe ich große Hilfsbereitschaft erfahren, sodass die Finanzierung dafür gesichert ist“, berichtet die Sprockhövelerin, die jetzt ähnliche Unterstützung durch Tierfreunde für den bedauernswerten Moritz erhofft.
Kinder der Umgebung
helfen der Idealistin
Ponys, Esel, Ziegen, Schafe, Hunde und Katzen werden auf dem Gnadenhof an der Bochumer Straße artgerecht gehalten, und auch die eher schwächlichen Kühe Fee und Toffi finden dort Futter und Pflege. „Die Fee habe ich von einem Schlachter für 100 Euro gekauft und mit einem Hänger hier auf die Weide transportiert“, ist eine der vielen Geschichten, die Annette Conrad, die hauptberuflich behinderte Kinder betreut, erzählen kann. Die Kinder und etliche junge Helfer aus der Umgebung gehen der Idealistin zur Hand, so wie die 16 Jahre alte Alina oder der zwölfjährige Steven, die mit den Ponys spazieren gehen und natürlich auch im Stall kräftig mithelfen.
Als der Tierarzt einmal nicht zur Stelle war und Ziege Clementine Nachwuchs erwartete, da fungierte Annette Conrad auch als Geburtshelferin. „Eines ist allerdings leider verstorben“, sagt Conrad mit belegter Stimme und bescheinigt Clementine, dass sie sich für die Geburtshilfe bei Tochter Tricki nicht sehr dankbar gezeigt hat. „Die ist ein richtiges Biest geworden.“ Clementine gehört übrigens zu der Herde um Moritz, der es aufgrund seiner diversen Handicaps schwer hat, sich durchzusetzen. „Der wird von den anderen auch gemobbt.“
Mobbing ist auch unter Tieren ein Problem, deshalb wird auf dem Gnadenhof auch darauf geachtet, dass die Vierbeiner zueinander passen und ein besseres Leben haben als zu der Zeit, wo sie noch bei ihren Vorbesitzern ein trauriges Dasein fristeten. So wie der Haflinger Benno. „Der Benno ist inzwischen 40 Jahre alt und einer meiner ersten Pensionsgäste. Den habe ich mal total abgemagert von einem besonders fiesen Pferdehändler gekauft“, ist eine weitere Story vom Gnadenhof, wo viele alte und schwache Vierbeiner ihren Lebensabend verbringen dürfen. So wie beispielsweise Heidi, ein 18 Jahre altes Schaf, das mit 15-jähriger Anwesenheit auf dem großzügigen Gelände zu den Alteingesessenen zählt.
„Schafe und Ziegen haben leider keine Lobby“, ist eine Erfahrung, die Annette Conrad in den 20 Jahren gemacht hat, in denen sie das Leben ihrer Schützlinge verschönt und ihren Respekt gegenüber ihren tierischen Mitbewohnern ausdrückt, in denen sie jedem Lebewesen auch einen Namen gibt.
„Natürlich sterben die alten und gebrechlichen Tiere hier. Leider keine Seltenheit, und jedes Mal fällt der Abschied schwer“ spricht die „Prinzipalin“ auch im Namen ihrer jungen Helferinnen und Helfer, die der Mutter von fünf Kindern ebenfalls zur Hand gehen und früh lernen, Verantwortung für die Geschöpfe zu übernehmen, die von den anderen Menschen schon aufgegeben worden sind.