Bekenntnisgrundschulen in NRW Der „richtige“ Glaube sichert den Schulplatz

DÜSSELDORF · Ein Drittel der Grundschulen in NRW sind Bekenntnisgrundschulen. Das hat weitreichende Konsequenzen. Initiative „Kurze Beine - Kurze Wege“ will Umwandlung.

Ein Ausstellungsstück einer früheren Ausstellung im Haus der Geschichte NRW in Düsseldorf: Eine Mauer teilt den Pausenhof einer 1960 erbauten Schule in dem Dorf Ringenberg, heute Hamminkeln, in zwei Bereiche: Katholische und evangelische Kinder besuchen eigene Schulen. Foto: Haus der Geschichte NRW Axel Tünker

Foto: Haus der Geschichte/Axel Thünker DGPh

Weil du nicht katholisch bist, haben wir leider keinen Platz für dich an unserer Schule - mit diesem Satz lässt sich ein Phänomen zusammenfassen, das immer noch Realität an den Grundschulen in Nordrhein-Westfalen ist. Die Existenz sogenannter Bekenntnisgrundschulen. An katholischen oder evangelischen Bekenntnisgrundschulen müssen zunächst Kinder der jeweiligen Konfession aufgenommen werden. Im Fall eines Anmeldeüberhangs haben Kinder mit einer anderen Konfession oder konfessionsfreie Kinder das Nachsehen und müssen auf andere Grundschulen ausweichen - auch wenn diese weiter entfernt vom Wohnort sind.

Das wollte die SPD im Düsseldorfer Stadtrat ändern. Doch sie scheiterte jüngst mit ihrem Antrag an der Mehrheit der anderen Parteien. Dabei hatte sie nur gefordert: „Die Verwaltung wird beauftragt, an den städtischen konfessionellen Grundschulen im Rahmen der Schulentwicklungsplanung Abstimmungen zur Umwandlung in Gemeinschaftsgrundschulen zu initiieren.“

Ein Drittel der NRW-Grundschulen sind konfessionsgebunden

Etwa ein Drittel aller knapp 3000 Grundschulen in Nordrhein-Westfalen sind staatliche Bekenntnisgrundschulen. Die weitaus meisten davon sind römisch-katholische Grundschulen (798). Und es gibt 98 evangelische Grundschulen.

Geht es nach der Initiative „Kurze Beine – Kurze Wege“ sollten auch diese Schulen möglichst schnell zu Gemeinschaftsgrundschulen werden – so wie jetzt schon knapp 1900 Grundschulen im Land. Max Ehlers ist Gründungsmitglied und Sprecher der landesweit tätigen Initiative, die sich seit 2009 für dieses Ziel engagiert. Er erklärt die beiden besonders hervorstechenden Kriterien, durch die sich Bekenntnisgrundschulen von Gemeinschaftsgrundschulen unterscheiden: „Der Schulleiter oder die Schulleiterin müssen dem betreffenden Bekenntnis angehören.“ Eigentlich auch die anderen Lehrerinnen und Lehrer. Aber es sind Ausnahmen möglich, und die gebe es aufgrund des Personalmangels häufig, sagt Ehlers.

Die für ihn wichtigere Konsequenz aber ist die: „Bei der Aufnahme an eine solche Schule müssen entsprechend getaufte Kinder bevorzugt werden. Alle anderen können aufgrund ihrer Konfessionszugehörigkeit oder -freiheit abgelehnt werden, wenn es mehr Anmeldungen als Plätze gibt.“ Das bedeute dann für die abgelehnten Kinder, die eben nicht die nächstgelegene Grundschule besuchen können, häufig einen wesentlich längeren Schulweg. Oftmals werden sie dann mit dem Mama-Taxi zur Schule gebracht. Und es führe, so Ehlers, auch dazu, dass Freundschaften unter Nachbarskindern durch die Trennung entzweit würden.

Ehlers betont: „Es ist nicht etwa so, wie manch einer meint, dass die Bekenntnisgrundschulen von der Kirche finanziert werden. Die Kirchen tragen keinen Cent dazu bei. Nein, finanziert werden auch sie vom jeweiligen Schulträger, also den Kommunen. Und das Lehrpersonal wird auch hier vom Land bezahlt.“

Ehlers kritisiert den Zustand: „Wenn die Steuerzahler die Schulen finanzieren, dann darf es nicht sein, dass bei zu viel Anmeldungen die Schüler eines Bekenntnisses vorgezogen werden.“ Durch die aktuelle Verfahrensweise würden künstlich „Restschulen“ geschaffen. Also Schulen, die all jene aufnehmen, die an den gewünschten Schulen nicht unterkommen. Ehlers: „Die einen suchen sich die Schulen, wo sie das Gefühl haben, da ist noch heile Welt und die anderen müssen nehmen, was übrigbleibt.“ Der Initiative gehe es im Übrigen nicht um kirchenkritische oder weltanschauliche Motive.

Doch auch solcherart Kritik gibt es. Ricarda Hinz ist Vorsitzende des humanistischen Düsseldorfer Aufklärungsdienstes (DA). Sie sagt: „Es passt einfach nicht in die Zeit, dass die konfessionsfreie Mehrheit der Düsseldorferinnen und Düsseldorfer unter das Dach einer konfessionsgebundenen Schule gezwungen wird.“ Der DA überlege derzeit, ein Bürgerbegehren zu initiieren, um das zu ändern.

Eltern können für eine Umwandlung der Schule stimmen

In Artikel 12 der NRW-Landesverfassung heißt es: „In Bekenntnisschulen werden Kinder des katholischen oder des evangelischen Glaubens oder einer anderen Religionsgemeinschaft nach den Grundsätzen des betreffenden Bekenntnisses unterrichtet und erzogen.“ Staatliche Bekenntnisschulen gibt es heute sonst nur noch in Niedersachsen. In Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wurden sie bereits vor mehr als 50 Jahren abgeschafft.

Weil sie in Nordrhein-Westfalen Verfassungsrang haben, ist ein Ende der staatlichen Bekenntnisgrundschule derzeit nicht realistisch. Bleibt die Möglichkeit der Umwandlung einzelner Bekenntnisgrundschulen in Gemeinschaftsgrundschulen. Dies ist zwar möglich, die Hürde ist aber hoch. Trotzdem wird dieser Weg immer wieder beschritten. Die Initiative „Kurze Beine – Kurze Wege“ führt auf ihrer Internetseite (www.kurzebeinekurzewege.de) viele Beispiele auf, in denen es zu Umwandlungen kam.

Das Einleiten eines Umwandlungsverfahrens kann geschehen entweder auf Antrag von 10 Prozent der Schülereltern oder durch Beschluss des Schulträgers. Die zweite Alternative hatte die Düsseldorfer SPD im August von der Verwaltung eingefordert. Erfolglos. Allerdings könnte auch dann die Kommune nicht selbst die eigentliche Umwandlung durchführen. Das geht nur, wenn im Anschluss mehr als 50 Prozent der Stimmen aller Schülerinnen und Schüler für eine Umwandlung stimmen. Ehlers nennt das Beispiel der Stadt Ahaus. Hier habe die Kommune gesagt, man wolle an allen sechs Bekenntnisschulen über eine Umwandlung abstimmen lassen. An drei Schulen hätten sich die Eltern dann dafür entschieden.

Der Weg, dass die Schulart nur durch die Eltern geändert werden kann, hat indes einen Haken. Oftmals haben diejenigen, die einen Platz ergattert haben, schon deshalb kein Interesse an solch einer Abstimmung - es betrifft sie ja nicht. Und diejenigen, die es betrifft, deren Kind aber derzeit noch in der Kita ist, dürfen nicht mitreden.

Max Ehlers nennt einen Fall, in dem es mit der Umwandlung oft ganz schnell geht: Katholische Grundschule, der Schulleiter hört auf, seine bei den Eltern beliebte Stellvertreterin ist evangelisch, kommt also nicht für den Posten infrage. Es sei denn, die Schule wird umgewandelt – von einer Bekenntnis- in eine Gemeinschaftsgrundschule.

Jedenfalls findet die Initiative „Kurze Beine - Kurze Wege“ die Hürde von 50 Prozent viel zu hoch. Aber politisch gibt es hier ein Beharrungsvermögen, die Parteien zeigen wenig Engagement, landesgesetzlich etwas an der Situation zu ändern und die Umwandlung zu erleichtern. „Wohl, weil man meint, damit keinen Blumentopf gewinnen zu können“, sagt Max Ehlers verbittert. „Und das angesichts der offenkundigen Missstände, die die Kinder und Eltern alltäglich zu spüren bekommen.“