Asylbewerber: Drogendeal als Glücksfall
Warum ein Asylbewerber erst durch seine Verurteilung Hilfe erhält.
Burscheid. Es gibt Menschen, die sind so hilflos, dass sogar eine Verurteilung vor dem Amtsgericht einer Erlösung gleichkommen kann. Der 20-jährige A. ist so ein seltener Fall. Er wohnt in Burscheid.
Ursprünglich stammt A. aus Guinea. Das Land leidet noch heute unter der Schreckensherrschaft des 1984 gestorbenen Diktators Ahmed Sékou Touré, in dessen Regime tausende Menschen gefoltert und getötet wurden. Nur drei Prozent der Einwohner des Landes sind 65 Jahre oder älter, denn durch Armut und Unterernährung erreicht dort kaum jemand ein solch hohes Alter.
Doch A. hatte den Absprung scheinbar geschafft. Zunächst gehörte er zu den etwa 50 Prozent der Kinder aus Guinea, die zur Schule gehen dürfen, dann gelang ihm die Flucht nach Deutschland. Nachdem er zunächst in einem Asylbewerberheim in Dortmund untergebracht war, wurde ihm eine Unterkunft in Burscheid zugewiesen. Doch seit A. in Burscheid ist, fühlt er sich allein gelassen. Er wohnt in einem Zimmer mit einem Russen und einem Asiaten, beide sind ebenfalls Flüchtlinge. Keiner der drei Männer spricht deutsch. A. hat an einem Deutschkurs teilgenommen, der ihm aber nur rudimentäre Kenntnisse vermittelt hat.
Am 21. Mai vergangenen Jahres war A. in Köln. Dort fanden gerade die Feierlichkeiten zum Weltjugendtag statt. Wie er am Donnerstag vor dem Amtsgericht Leverkusen aussagte, hatte er weder Geld noch ein Bus-Ticket. „Aber ich wollte nach Hause“. Auf Nachfrage des Richters, was er mit Zuhause meine, antwortete der 20-Jährige „Burscheid“. Es bleibt das einzige Wort aus dem Mund des Angeklagten, das Richter und Staatsanwaltschaft verstehen, den Rest übersetzt eine Dolmetscherin.
Der 20-Jährige gestand am Donnerstag, dass er zwei Beutel mit jeweils einer geringen Menge Marihuana dabei hatte. Einen wollte er zum eigenen Konsum behalten, den anderen verkaufte er in Köln. Dabei erwischte ihn ein Zivilfahnder der Polizei.
Dass Marihuana illegal ist, habe er damals nicht gewusst. Diese Aussage bestätigte die Jugendgerichtshilfe: „Es war in unserem Vorabgespräch sehr schwierig, ihm zu erklären, dass der Besitz von Marihuana in Deutschland strafbar ist.“ Und der Jugendgerichtshelfer war offensichtlich einer der Ersten, der A. überhaupt gewisse Regeln erklärte: „Er ist hier zurzeit nur geduldet, aber hat nie eine Asylberatung erhalten. Er weiß nicht, dass er einen Asylantrag stellen muss, an welche Behörden er sich wenden muss“, sagte der Helfer vor Gericht.
Richter und Staatsanwaltschaft verständigten sich am Donnerstag auf eine Verurteilung im Sinne des Angeklagten: Neben einer Verwarnung bekommt er eine Betreuung zugewiesen. Sechs Monate lang muss er einmal wöchentlich zu einem Betreuer Kontakt aufnehmen. Diese Zeit kann genutzt werden, um Behördengänge zu erledigen — beispielsweise, um den Asylantrag zu stellen. Und so entwickelt sich der Drogendeal für A. zum Glücksfall.