Baustatik: Der Garant für stabile Verhältnisse

Ralf Hartmann-Linden ist als Prüfingenieur zugelassen. Sein unabhängiger Blick soll verhindern, dass Kostendruck Einstürze provoziert.

Burscheid. "Vier Augen sehen mehr als zwei", sagt der Volksmund. Und das Bauwesen nickt zustimmend. Schon lange muss die Statik von Brücken und Gebäuden jenseits der Ein- und Zweifamilienhäuser extern geprüft werden - vor Baubeginn und während der Bauphase. Vier-Augen-Prinzip nennt sich das Verfahren, das von handverlesenen Experten sichergestellt wird. Ralf Hartmann-Linden ist jetzt einer von ihnen.

Seit der promovierte Bauingenieur die Urkunden der Ingenieurkammer NRW und des Landesbauministeriums in der Tasche hat, darf er seinen Kollegen auf die Finger gucken. Aus der anderen Perspektive weiß er noch, wie sehr die Wertschätzung von den einzelnen Personen abhängt: "Manche Prüfer versenken sich in Kleinigkeiten. Aber es gibt auch Punkte, wo man froh ist, einen Hinweis zu bekommen. Schließlich werden so Fehler gefunden. Das hat mit dem Schutz von Leib und Leben zu tun, aber ist auch wirtschaftlich wichtig."

Was passiert, wenn das Vier-Augen-Prinzip vernachlässigt wird, zeigen die dramatischsten Einstürze der vergangenen Jahre beim U-Bahn-Bau in Köln und bei der Eissporthalle in Bad Reichenhall. In Köln war der Bauherr KVB auch gleichzeitig Kontrollinstanz, in Bad Reichenhall wurde kein Dokument gefunden, das die Prüfung der Statik bestätigte.

"Aber bei so großen Schäden ist es nie nur ein Fehler, der das Unglück verursacht", sagt Hartmann-Linden. So waren in Bad Reichenhall schon nicht zugelassene Baumaterialien verwendet worden und Warnsignale Monate vor dem Einsturz am 2.Januar 2006 wurden falsch interpretiert.

Doch so wichtig Hartmann-Lindens neues Betätigungsfeld auch ist, den größeren Reiz sieht der 46-Jährige nach wie vor darin, "ein Bauvorhaben von Anfang an zu begleiten". Über drei Jahre hat er in Griechenland gelebt, um den Flughafenneubau in Athen zu betreuen. Danach folgte ein Jahr in Taiwan, wo er als technischer Leiter für das 40 Kilometer lange Teilstück einer Hochgeschwindigkeitsstrecke für Schnellzüge zuständig war.

Reizvolle Aufgaben seines damaligen Arbeitgebers Hochtief, die aber den familiären Interessen entgegenstanden. Seit 2001 lebt der zweifache Familienvater daher in Burscheid. Bevor er sich vor zwei Jahren selbstständig machte, sammelte er in einem Düsseldorfer Büro bereits erste Erfahrungen mit Prüfverfahren.

So war er in der Landeshauptstadt frühzeitig in den Bau des spektakulären Bürohochhauses Sky Office eingebunden. Die dabei gefundene Lösung für die Sicherung der Baugrube sorgte als "Düsseldorfer Deckel" später sogar in der Fachzeitschrift "Bautechnik" für Furore.

Aber Hartmann-Linden sucht nicht nur das Spektakuläre. "Es geht nicht immer um Größe, sondern um spannende Details." Wie bei dem Wohnhaus eines nicht übermäßig wohlhabenden Architekten, das dieser selbst geplant hatte. Wenn sich der Künstler und der Techniker dann früh zusammensetzen und um die kostengünstige Umsetzung ungewöhnlicher Ideen ringen, "macht das riesigen Spaß".