Besuch in gewachsenem Stein

Sengbachtalsperre: Die wichtigsten Instrumente der Talsperre befinden sich im Inneren der Mauer. Dort herrschen nur zehn Grad.

Bergisches Land. Vom Wasserwerk in Solingen-Glüder führt ein langer Feldweg auf die trockene Seite der Sengbachtalsperre. Alles hier ist Betriebsgelände der Stadtwerke, nicht öffentlich zugänglich. Unter den Rieselwiesen verläuft ein Rohr ins Wasserwerk, 90 Zentimeter Durchmesser. Die Hälfte des Solinger Trinkwassers kommt aus der Talsperre.

Die Staumauer, 1900 bis 1903 erbaut, erhebt sich hier majestätisch gen Himmel. Oben laufen Spaziergänger. Von der Sohle aus ist die Mauer 43 Meter hoch, Bogenlänge 178 Meter. Im unteren Teil ist sie über 36 Meter dick. "Allein schon aus Kostengründen wird es so ein Bauwerk nie wieder geben", sagt Talsperrenmeister Roland Sorgenicht. "900 Leute haben daran gebaut, und es besteht aus reinem Mauerwerk." Das sei wie "gewachsener Stein". Sehr solide. Ein Schatz, verglichen mit modernen Betonbauten. Ein Schatz, der aus Sicherheitsgründen gepflegt werden will und muss. 2,8 Millionen Kubikmeter Wasser fasst die Talsperre maximal, zurzeit sind es etwa 1,6 Millionen. Ein Kubikmeter entspricht 1000 Litern.

Roland Sorgenicht ist täglich hier, um nach dem Rechten zu sehen und Wasserproben zu entnehmen. Einmal in der Woche führt er Messungen zur Bauwerk-Sicherung durch. Natürlich gibt es Systeme, die zu jeder Zeit automatisch Alarm schlagen, sollte mit dem Bauwerk etwas nicht in Ordnung sein. Doch es braucht auch ein kundiges Auge vor Ort.

Es gibt auch Kontrollen von außen. Neulich waren Polizeitaucher da, haben nach Diebesgut gesucht und dabei ein Auge auf die Mauer geworfen. Doch die wichtigsten Instrumente für die Sicherung sind im Inneren der Sperrmauer. In einem Tunnel aus den 1990er Jahren. Dort ist es kalt. Sehr kalt. Unter zehn Grad, ein starker Kontrast im Sommer. "Da holt man sich schon mal eine Erkältung", sagt Sorgenicht. Aus dem Boden ragen Rohre, sie sehen aus wie kleine graue Blumen. Stetig tröpfelt Wasser heraus, in dünnen Strahlen. Ein angenehmes, beruhigendes Geräusch gegen ein leicht mulmiges Gefühl, auch wenn meterdickes Mauerwerk von den Wassermassen trennt.

Es sind Drainagerohre, die Roland Sorgenicht regelmäßig "auslitert". Heißt: Er misst, wie viel Wasser herauskommt. Eine von vielen Sicherheitsmaßnahmen. Konstanz ist bei allen Messungen in diesen Mauern ein gutes Zeichen. Es ist gut, wenn sich nix tut.

Die beiden Rohre, mit denen Wasser aus der Sperre entnommen wird, verfügen über eine hydraulische Sicherung. Gibt es irgendwo auf der Strecke zwischen Sperre und Wasserwerk ein Leck, nimmt also die Wassergeschwindigkeit zu, schließt sich eine Klappe, und das Rohr ist an seiner Mündung verschlossen. "Das ist lebenswichtig und funktioniert auch ohne Strom."

Die wichtigsten Instrumente aber sind das Schwimm- und das Pendellot. Das Pendellot besteht aus einem dünnen Draht, der 40 Meter zur Mauerkrone führt, das Schwimmlot senkt einen Draht 20 Meter in die Erde. Der Talsperrenmeister misst, ob sich bei der Position des Drahtes starke Veränderungen ergeben. Denn das könnte ein Zeichen für Verschiebungen oder Risse im Mauerwerk der Sperre sein. Bis zu zehn Millimeter groß sind die Unterschiede, je nach Füllstand.

"Früher waren die Messungen digital, heute machen wir es wieder mechanisch." Die moderne Technik war mit der Kälte und der aggressiven Luft in der Sperre überfordert. bjb