Beim Haarefärben setzt er seine Gesundheit aufs Spiel
Chemische Stoffe haben die Berufspläne von Friseur Uwe Reininghaus zerstört. Und er ist nicht der Einzige.
Burscheid. Das Färben der Haare ist für viele Frauen und auch immer mehr Männer selbstverständlicher Teil des persönlichen Auftritts. Für Uwe Reininghaus ist es ein Graus. Hätte der Friseurmeister wieder mit Haarfarbe zu tun, würden seine Hände trotz Schutzhandschuhen aufquellen und platzen. Und seine Lunge hätte innerhalb von vier Minuten 25 Prozent ihre Volumens eingebüßt.
Der 44-Jährige hat seine Konsequenzen gezogen — gerade noch rechtzeitig: keine Übernahme des schon 140 Jahre alten Familienbetriebs in der vierten Generation, stattdessen die Umschulung zum Busfahrer. Seit drei Wochen hat er es schriftlich, dass die Berufsgenossenschaft seine Kontaktallergie als Berufskrankheit anerkennt.
Für den Familienvater kein leichter Schritt: Bei seinem Vater hatte er gelernt und war dort auch nach Wanderjahren durch Betriebe in der Region im Jahr 2001 wieder eingestiegen — zunächst mit einer sogenannten Stuhlmiete und eigenem Kundenstamm.
Im Februar 2012 tauchen dann die ersten Probleme an den Händen auf. Die Hautärztin diagnostiziert eine Allergie gegen chemische Stoffe beim Haarefärben und der Dauerwelle.
Reininghaus will nicht aufgeben. Der Salon in der Hauptstraße wird umgebaut, um ihm einen separaten Arbeitsplatz ohne Kontakt zu den gefährlichen Stoffen zu ermöglichen. Vergeblich. Sein Allgemeinzustand verschlechtert sich. Die Untersuchung in einer Spezialklinik in Osnabrück ergibt im November: Schon die Dämpfe reichen, um seine Lunge anzugreifen.
Einen Monat später steigt Reininghaus aus. „Mein Lungenarzt hat mir danach gesagt, ein halbes Jahr später wäre nichts mehr zu retten gewesen.“ Auch so muss der Friseur drei Monate Kortisonpulver inhalieren, um die Schäden zu beheben.
Der Hauptstoff, der ihm zu schaffen macht, heißt Tuluylen-2,5-diamin (PTD). Er sorgt dafür, dass die Haarfarbe am Haar haften bleibt. Ohne ihn funktioniert das Färben nicht. Reininghaus will mehr darüber erfahren. Zu anderen PTD-Konzentrationen existieren auch Sicherheitsdatenblätter. Aber das Blatt zum in Haarfärbemitteln üblichen Gemisch ist trotz aufwendiger Recherchen auch von Fachleuten und Ärzten nicht aufzutreiben.
Auch vier renommierte Hersteller von Haarfarben blocken auf seine Nachfragen ab. Es handele sich um keinen Gefahrstoff und die Konzentration sei so gering, dass weder Friseuren noch Kundinnen etwas passieren könne. Nur inoffiziell erhält er die Bestätigung, dass schon seit Jahren nach einem Ersatzstoff gesucht wird. „Viele Kollegen wissen gar nicht, dass sie allergisch reagieren, und machen weiter“, sagt Reininghaus. In der Spezialklinik sei er mit seinen Händen „noch der harmloseste Fall gewesen“.
Richtig wütend ist der Friseur aber, seit er im Internet auf eine Richtlinie der EU-Kommission aus dem Jahr 2009 gestoßen ist. Sie mahnt eine Senkung der Höchstkonzentration von PTD an, um so auch das Allergie-Risiko für Anwender von Haarfärbemitteln zu senken. Die empfohlenen Grenzwerte werden laut Reininghaus bis heute insbesondere bei den helleren Färbungen deutlich überschritten.
Denn weder bei der Kreishandwerkerschaft noch bei der Innung wusste man bisher etwas von dieser Richtlinie. „Und der Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks hält sich daran, dass die Konzentrationsmengen so gering seien, dass nichts passieren könne.“ Reininghaus will der Frage weiter nachgehen, wieso die Richtlinie an der Basis nicht angekommen ist. „Warum wir diese Info nie bekommen haben, ist mir ein Rätsel.“