Burscheider in Vietnam: Tausende Mopeds und ein kleines Bergvolk
Die Burscheider Globetrotter Ralf Seck und Susanne Hartmann berichten von ihren ersten Eindrücken in Vietnam.
Hanoi/Vietnam. Das erste Etappenziel unserer Rundreise ist erreicht. Die quirlige Hauptstadt von Vietnahm empfängt uns mit 21 Grad Celsius, hoher Luftfeuchtigkeit und Nieselregen. Das Erste, was uns ins Auge fällt, sind die unfassbar vielen Mopeds, die durch die Straßen rattern, Autos sind hoffnungslos in der Unterzahl.
Die Zweiradfahrer sehen mit ihren Ganzkörper-Regenumhängen etwas gewöhnungsbedürftig aus, aber es ist der Monat der abklingenden Regenzeit und der nächste Schauer kommt bestimmt. Für Fußgänger wurden breite Bürgersteige angelegt, aber die sind mit tausenden von parkenden Mopeds belegt. Das heißt, auch wir bewegen uns über die Straße vorwärts.
Die Motorradfahrer kommen von vorn, von hinten, von rechts und von links. Die meisten Piloten fahren vorausschauend, andere rasen jedoch überaus optimistisch heran. Man muss schon sehr aufmerksam sein, um nicht über den Haufen gefahren zu werden. Eine Straßenüberquerung ist eine Nervenprobe. Rote Ampeln und Zebrastreifen missachtend, zischen die Mopeds an uns vorbei, am besten schaut man einfach nur geradeaus.
Stets belebt ist die Uferpromenade des Hoan Kiem-Sees. Früh morgens gleicht sie einem malerischen Open-Air-Fitness-Studio. Wir sehen Badmintonspieler, Läufer und Walker, andere Leute machen sich mit Gymnastik, Tai Chi oder Aerobic fit für den Tag. Später ist der grün schimmernde See ein gefragter Ort für Hochzeitsfotos und abends tummeln sich die Verliebten in Ufernähe.
Die Beliebtheit des Sees, der Alt-Hanoi vom früheren französischen Kolonialviertel trennt, liegt in einer wundersamen Sage begründet: Anfang des 15. Jahrhunderts, während der chinesischen Besatzung, übergab eine riesige, im See lebende Schildkröte dem Fischer Le Loi ein magisches Schwert, welches ihn unbesiegbar machte. Er benutzte das Zauberschwert, um die Truppen der Ming-Dynastie vernichtend zu schlagen, und wurde im Jahre 1428 König.
Nun begab sich der junge König zum See, um den Göttern zu danken. Da tauchte die Schildkröte auf und forderte das Schwert zurück. Le Loi ließ aus Dankbarkeit auf einer kleinen Insel in der Mitte des Sees den dreistöckigen Schildkröten-Turm errichten, der bis heute das Wahrzeichen Hanois ist.
So weit die Legende, aber 1968 wurde tatsächlich eine 2,10 Meter lange und 250 Kilogramm schwere Schildkröte aus dem See geborgen, die etwa 400 Jahre alt gewesen sein soll. Sie ist präpariert in einem Glaskasten im Jadeberg-Tempel am See ausgestellt.
Dann zieht es uns in die Berge, nach Sapa. Ya gewährt uns interessante Einblicke in ihr Leben und in die Kultur ihres Volkes. Ya gehört der ethnischen Minderheit der Hmong an, einem nordvietnamesischen Bergvolk. Mit ihrer farbenfrohen Tracht, dem Silberschmuck und ihrem blitzenden Goldzahn unterstreicht sie ihr traditionelles Leben.
Ya kann weder lesen noch schreiben und kennt ihren Geburtstag nicht. Das ist für die kleinwüchsige Frau jedoch kein Hinderungsgrund, Touristen ihren Lebensraum zu zeigen. Die dazu notwendigen Basiskenntnisse in Englisch hat sie sich selbst beigebracht. Die Wanderungen mit ihr im chinesischen Grenzgebiet sind kurzweilig, nicht nur, weil wir uns auf Anhieb sympathisch sind.
Während sie Wurzeln für medizinische Zwecke sammelt, erzählt sie uns, dass in ihrem Volk die alten Bräuche noch lebendig sind. So mussten zum Beispiel ihre Schwiegereltern die Hochzeit organisieren und bezahlen. Außerdem betrug ihr „Brautpreis“ einige Schweine und Hühner, wie sie lachend ergänzt.
Interessant ist auch, dass jedes der Hmong-Kinder für das nächstjüngere Kind verantwortlich ist. So sind diese Vietnamesen schon in jungen Jahren erstaunlich selbstständig. Wie zum Beweis sehen wir einen Knirps, der einen riesigen Wasserbüffel hütet.
Später überqueren wir Flüsse auf wackligen Hängebrücken mit vermoderten Holzbohlen und balancieren auf glitschigen Steinen über Bäche und an Abgründen entlang, um zur nächsten Siedlung zu kommen. Das Leben in den Dorfgemeinschaften ist friedlich und findet in aller Öffentlichkeit statt. Wir dürfen zum Beispiel aus nächster Nähe verfolgen, wie die traditionellen Trachten der Hmong mit einfachsten, aber altbewährten Methoden gewebt und gefärbt werden. Auch die Türen der Schulklassen sind geöffnet und erlauben uns lohnende Einblicke in den Schulalltag.
Die wichtigste Tätigkeit in diesen Wochen ist jedoch die Reisernte, und wir können die mühsamen Arbeitsschritte an den schwer zugänglichen Berghängen beobachten. In ihrem einfachen Holzhaus erzählt uns Ya, dass in dieser Region, in der im Winter schon mal Schweine und Büffel erfrieren, nur eine einzige Ernte im Jahr möglich ist. Und da sie der siebenköpfigen Familie täglich drei Reismahlzeiten bieten möchte, muss die jetzige Ernte mindestens 1000 Kilogramm erbringen.
Zum Ende der hoffentlich ertragreichen Erntezeit wird ein Fest gefeiert, bei dem ein Schwein geschlachtet, Reiswein getrunken und den Ahnen gedankt wird. Doch das Fest erleben wir leider nicht mehr, wir sind schon auf der Weiterreise. Die warmherzige Ya hat uns jedenfalls für ethnische Minderheiten sensibilisiert und wird uns noch lange in Erinnerung bleiben.