„Das Orchester ist quietschfidel“
Anke Wischer über Tradition, Nachwuchs und Statuten, die eine Auflösung nicht vorsehen.
Frau Wischer, welche Bedeutung hat für Sie Tradition?
Anke Wischer: Wenn ich mir aus der Tradition das heraussuchen kann, was mir gefällt, hat sie eine hohe Bedeutung. Wenn es um Dinge geht, die mir nicht gefallen, hat sie keine Bedeutung.
Die Musicalische Academie blickt auf eine 200-jährige Tradition zurück. Ist sie dabei angestaubt oder quietschfidel?
Wischer (lacht): Natürlich quietschfidel! Denn der Academie ist es immer wieder gelungen, sich zu erneuern und nicht nur pausenlos auf die Geschichte zu starren, sondern die Zukunft zu gestalten.
Erdrückt Sie diese lange Geschichte trotzdem manchmal?
Wischer: Wenn ich den Vorsitz einmal abgebe, möchte ich die Academie gerne in einem noch besseren Zustand übergeben, als ich sie schon übernommen habe. Es wäre mir äußerst unangenehm, wenn meine Amtszeit mit einem Rückgang verbunden wäre. Insofern können Tradition und Geschichte durchaus auch etwas Belastendes an sich haben.
Wie sieht es denn mit dem Nachwuchs aus: Haben Sie keine Probleme, entstehende Lücken wieder zu schließen?
Wischer: Im Moment noch nicht, aber langfristig könnte es Probleme geben. Durch die erhöhten Anforderungen in der Schule und die verkürzte Schulzeit reduziert sich zwangsläufig der mögliche Zeitrahmen für eine Instrumentalausbildung. Und ich befürchte, dass die Ausdauer und Konsequenz, die man haben muss, um ein Instrument gut zu erlernen, nicht mehr in dem Maße vorhanden sein wird. Denn dafür ist auch eine massive Unterstützung und Forderung der Eltern notwendig.
Ist es schwerer geworden, Kinder und Jugendliche für Klassik zu begeistern?
Wischer: Es waren immer schon die Exoten, die klassische Musik mochten. Aber früher gab es mehr davon.
Wie ist denn die gegenwärtige Altersstruktur des Orchesters?
Wischer: Beim Jubiläumskonzert in Altenberg sind wir mit den Aushilfen 41 Musiker plus Dirigent. Wir haben derzeit relativ wenige Schüler, aber dafür sind auch einige ältere Musiker nicht mehr dabei, sodass sich der Altersdurchschnitt gehalten hat. An der enormen Bandbreite von 16 bis 80 Jahren erkennt man immer ein Laienorchester. Bei den Jugendlichen ist das Problem, dass wir sie meistens nach dem Abitur verlieren. Ich habe großen Respekt vor zwei jungen Ärztinnen in unseren Reihen, die als Schülerinnen bei uns angefangen haben und während ihres gesamten Studiums und der Ausbildung bei uns geblieben sind.
Und wo gibt es den größten Bedarf?
Wischer: Dauerhaft bei den Bläsern. Das hat natürlich auch mit der innerörtlichen Konkurrenz zu tun. Aber weil wir uns mit dem Orchesterverein Hilgen gut verstehen, kommt von dort auch ein Großteil unserer Aushilfen.
Was erwartet die Burscheider im Jubiläumsjahr?
Wischer: Wir spielen zwei Jubiläumskonzerte, das erste am kommenden Samstag ab 14.30 Uhr im Altenberger Dom, das zweite am 2. Dezember im Haus der Kunst. In Altenberg ist dabei auch die Welturaufführung der Auftragskomposition „Ad fontes“ von Wilfried Danner zu hören.
Lässt sich auch Schirmherrin Hannelore Kraft blicken?
Wischer: In Altenberg nicht, aber dafür kommt ein Vertreter des Landeskulturministeriums, was auch stimmig ist, weil wir von dort eine Förderung für die Auftragskomposition erhalten haben. Vielleicht schwärmt er ja Frau Kraft so vor, dass sie dann im Dezember nach Burscheid kommt.
Seit 17 Jahren ist Wolfgang Georg Dirigent der Academie. Wie sehr hat er dem Orchester in dieser Zeit seinen Stempel aufgedrückt?
Wischer: Sehr. Der Mensch ist von einer Begeisterungsfähigkeit und Geduld, das ist wirklich bemerkenswert. Sein Engagement reißt mit. Die Chemie zwischen Dirigent und Orchester stimmt einfach.
Um die Zukunft der Academie ist Ihnen also nicht bange?
Wischer: Die Zukunft ist gesichert. Es ist kein Grund erkennbar, warum es nicht weitergehen sollte. Magere Zeiten sind natürlich möglich, aber davon hat das Orchester schon reichlich erlebt und überstanden. Und außerdem steht schon in der Gründungsurkunde und seit 1864 auch in den Statuten, dass sich die Academie nicht auflösen darf. In unserer aktuellen Satzung haben wir daran noch einmal erinnert.