Der ferne Krieg ganz nah
Ausstellung zeigt Auswirkungen in Burscheid.
Burscheid. 32 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs hatte der Burscheider Maler Walther Schliephake (1888—1968) im Rückblick nur noch Sarkasmus übrig für das große Sterben. Sein künstlerischer Kommentar aus dem Nachlass seines inzwischen auch verstorbenen Sohnes Wilhelm ist eines der eindrücklichsten Schaustücke der gestern eröffneten Ausstellung in der Stadtbücherei.
In der Mitte ein Wimmelbild des Gemetzels, das sogar den gekreuzigten Jesus noch einmal zerstört. Umrahmt ist das Bildzentrum von bitteren Anmerkungen, die vom Panzer unter dem Weihnachtsbaum bis zum geistlichen Segen für den Feldzug reichen und auch die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg nach Kriegsende nicht ausklammert.
Schliephakes Bild ist ein Beispiel dafür, wie sich der Geschichtsverein in Kooperation mit dem Stadtarchiv und der Stadtbücherei bemüht hat, den Kriegsbeginn vor 100 Jahren und seine Folgen noch einmal aus Burscheider Sicht greifbar zu machen. In einem Vitrinenschrank beispielsweise sind Säbel ausgestellt. „Damit sind Burscheider ins Feld gezogen, nachdem sie die Säbel vorher noch mal hatten schleifen lassen“, erzählt Sabine Wurmbach vom Geschichtsverein.
Säbel für den ersten Krieg des industriellen Tötens; Säbel in dem Glauben, Weihnachten wieder zu Hause sein zu können. „Wir Deutsche fürchten Gott, sonst nichts auf der Welt“, heißt es noch auf einer ausgestellten Fahne. Das Fürchten haben sie dann doch noch gelernt.
Die Geschichte reicht in die Gegenwart: Unter den Gästen der Eröffnung befand sich auch Reiner Peters, Enkel des Burscheider Friedrich Rudolf Peters (1892—1954) der von 1913 bis 1919 Bursche des Generals Erich Ludendorff war. Und Gerd Pieper und Grete Klippert waren nicht die Einzigen, die in den gesammelten Unterlagen ihre Väter wiederfanden oder die Dokumente der Familiengeschichte gleich selbst zur Verfügung gestellt hatten.
725 Burscheider mussten in den Krieg ziehen, 609 kamen lebend zurück, aber die Zahl der 116 Toten erhöhte sich noch um 32 durch unmittelbare Kriegsfolgen. Einer der mit dem Leben davon kam, war Hermann Kiel aus Straßerhof. Ein paar Dokumentenkopien im ersten Stock erzählen vom Soldatenleben des gelernten Schuhmachers.
Im September 1915 wird er mit 19 Jahren eingezogen. Zweieinhalb Jahre später erleidet er Quetschungen durch ein Artilleriegeschoss. Seit einem Gefecht bei Famars im Oktober 1918 gilt der Musketier als vermisst. Im September 1919, vier Jahre nach seinem Kriegseintritt, wird Kiel aus englischer Gefangenschaft entlassen — und bekommt 50 Mark Entlassungsgeld und einen Anzug mit auf den Heimweg.