Kultur „Der geteilte Picasso“ im Ludwig

Köln · Was verbinden wir mit Pablo Picasso? Und was haben die Deutschen der Nachkriegszeit mit ihm verbunden, als sein Ruhm auf dem Höhepunkt war? Weitaus mehr als wir: Das ist der Hauptgedanke dieser Ausstellung, die an eine vergessene Breite, Spannung und Produktivität der Aneignung erinnert.

 Das Werk „Kopf einer lesenden Frau“ von Pablo Picasso stammt aus dem Jahr 1953. Es ist Teil der Sammlung des Kölner Museums Ludwig.  

Das Werk „Kopf einer lesenden Frau“ von Pablo Picasso stammt aus dem Jahr 1953. Es ist Teil der Sammlung des Kölner Museums Ludwig.  

Foto: Bildarchiv/Rheinisches

Nicht nur um den Künstler geht es hier, sondern um sein Publikum, das sich im kapitalistischen Westen und im sozialistischen Osten Picassos Kunst denkbar verschieden zurechtlegte. Der deutsche Picasso war ein geteilter und zerteilter, aber die Teilung beflügelte auch die Mitteilung: Weil jeder diese Kunst befragte, hatte sie allen etwas zu sagen.

Die neue Sonderausstellung „Der geteilte Picasso“ zeigt vom 25. September bis zum 30. Januar im Kölner Museum Ludwig politische Werke, etwa das sehr eindringliche Gemälde Massaker in Korea (1951) aus dem Pariser Musée Picasso. Neben sie treten rund 150 Exponate, die Picassos Werk in seinen Wirkungen spiegeln: Ausstellungsansichten, Plakate und Kataloge, Presseberichte, Briefe, Akten, Filme und Fernsehberichte, außerdem ein Theatervorhang aus dem Berliner Ensemble, auf den Bertolt Brecht „die streitbare Friedenstaube meines Bruders Picasso“ malen ließ.

Picasso war ein politisch
engagierter Künstler

Pablo Picasso eignete sich durchaus als Galions- und Projektionsfigur in beiden politischen Systemen und beiden deutschen Staaten. Er war Mitglied der Kommunistischen Partei Frankreichs, unterstützte Befreiungskämpfe und Friedenskongresse. Aber er lebte im Westen und ließ es zu, dass die bürgerliche Kritik ihn zum unpolitischen Genie, zum „Geheimnis Picasso“ stilisierte. Welche Werke wurden im Sozialismus, welche im Kapitalismus gezeigt? Wie wurde Picasso vermittelt? Sah der Westen die Kunst, der Osten die Politik? Was sah der Künstler selbst? Der geteilte Picasso untersucht das Bild, das sich hüben und drüben aus Picassos Bildern machen ließ. Einen Schwerpunkt bildet die Picasso-Sammlung von Peter und Irene Ludwig, noch heute eine der umfangreichsten. Als die Ludwigs Teile davon der DDR zur Verfügung stellten, vervielfachten sie den dortigen Bestand.

Für die Ausstellung wurden zwei Arbeiten in Auftrag gegeben. Die Architektur des Künstlers Eran Schaerf verknüpft das ausgestellte Material, ohne künstlerische Werke und ihren sozialen Gebrauch hierarchisch zu gliedern. Einbauten aus Holz, schräg platzierte Stellwände, das Aussparen der Museumswände vermitteln den Eindruck einer geplanten Unabgeschlossenheit. Das einzelne Exponat schiebt sich nicht aus dem Zusammenhang, die eigene Aneignung bleibt wahrnehmbar. Peter Nestlers Film Picasso in Vallauris wurde im Januar 2020 gedreht, um Picassos Wandgemälde Krieg und Frieden in die Ausstellung zu bringen. Der Film geht von Picassos Produktion, seinen Beziehungen und politischen Verbindungen aus und blickt von dieser Vergangenheit her auf die Menschen, die heute in Vallauris leben.

 

Katalog: Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in deutscher und englischer Sprache, herausgegeben von Julia Friedrich, mit Beiträgen von Yilmaz Dziewior, Julia Friedrich, Bernard Eisenschitz, Stefan Ripplinger, Hubert Brieden, Georg Seeßlen, Günter Jordan, Iliane Thiemann, Theresa Nisters, Boris Pofalla, Thorsten Schneider, Émilie Bouvard und Sarah Jonas. Köln 2021, 248 Seiten. 266 Abbildungen, Verlag der Buchhandlung Walther König. 29,80 Euro (Buchhandelspreis), 25 Euro (Museumspreis)