Erst in den Stall, dann an die Krippe
Landwirtschaft: Auch an Heiligabend bestimmt das Wohl der Tiere den Lebensrhythmus auf dem Sieferhof der Familie Paas.
<strong>Burscheid. Schon seit Wochen läuft auf dem Sieferhof alles organisatorisch auf den Heiligabend hin. Für genügend Futter wurde gesorgt, denn zum Jahresende hin ist es kaum noch zu kaufen, aber 120 Rinder, die Hälfte davon Milchkühe, wollen auch an Weihnachten gefüttert werden. Das alle vier Wochen fällige Ausmisten des Jungviehstalls ist so terminiert, dass die Zeit um die Feiertage nicht tangiert wird. Und doch wird Familie Paas heute keinen ruhigen Tag erleben: "Es dreht sich alles um das Wohl der Tiere und das Wohl der Familie kommt erst, wenn die Tiere versorgt sind", sagt Frank Paas.
Für den 42 Jahre alten Vorsitzenden der Ortsbauernschaft und seine gleichaltrige Frau Julia beginnt der Heiligabend wie jeder Tag um 6.30 Uhr mit dem Füttern und Melken. Am Nachmittag muss dann die nächste Futtermischung angesetzt werden, ehe das abendliche zweite Melken beginnt. "Unsere Kinder sind noch nie vor 20 Uhr beschert worden", erzählt Paas.
Tochter Mattea hat erst gar nicht mehr gefragt, ob ihre Eltern es vielleicht in diesem Jahr schaffen, zum Krippenspiel um 16 Uhr in die evangelische Kirche am Markt zu kommen. Doch weil die 14-Jährige mitspielt, wollen die beiden es heute doch versuchen - wider alle Erfahrungen der Vorjahre. Dann darf nur nicht noch etwas Unvorhergesehenes passieren: eine Kuh, die kalbt, beispielsweise. Bei 60 Geburten im Jahr ist das auch an Heiligabend keine Seltenheit.
Und doch, irgendwann im Lauf des Tages, trotz aller äußeren Zwänge, stellt sie sich dann ein, "die besondere Stimmung", wie es Frank Paas nennt: wenn sich heute Abend das Ende der Arbeit abzeichnet und man vom Hof in das erleuchtete Innere des Hauses blicken kann, wo Paas’ Eltern Hans (80) und Ursula (71), Geschwister und Schwiegermutter schon die Vorbereitungen treffen, damit es gleich losgehen kann, wenn im Stall alles erledigt ist. "Das ist ja die Zeit, wo alle anderen schon feiern und es draußen ganz still wird", beschreibt Julia Paas die besondere Atmosphäre.
Von da an dauert es nicht mehr lange, bis der tagelangen Anspannung endlich die ersehnte Entspannung folgen kann. "Dann freuen wir uns, dass wir alle zusammen sind", sagt Frank Paas - auch wenn es in dem vertrauten Kreis schon mal passiert, dass die geschafften Gastgeber vor den Gästen ins Bett gehen.
Doch davor folgt in jedem Fall noch der letzte Gang durch die Ställe. Das ist tägliche Routine. Und an diesem Abend trotzdem "eine gewisse Besonderheit": Die örtliche Verbindung zur Weihnachtsgeschichte liegt auf der Hand. "Da ist man schon ein bisschen näher dran als irgendjemand, der auf der vierten Etage wohnt."
Nur eines kommt seiner Frau Julia bei aller thematischen Nähe zum Geschehen an Heiligabend nicht ins Haus: Stroh. "Nach dem Einfüttern hat man das überall stecken: unter den Schuhen, in den Hosenaufschlägen. Da brauche ich nicht auch noch Stroh an der Krippe."