Feuerwerk gegen das tödliche Virus
Wenn die Kakau-Gruppe in Tansania auftritt, verbindet sie Unterhaltung und Aids-Aufklärung. Finanzielle Unterstützung dafür kommt auch aus Burscheid.
Bukoba/Tansania. Letzter Soundcheck vor dem Haus einer Familie im Dorf Itoju. Noch scheint sich niemand für die Musiker zu interessieren, die am Rand des Marktplatzes mit Blick auf den Victoriasee ihre Instrumente stimmen. Doch als die ersten Trommelrhythmen über den Platz schallen, wenden sich die Marktbesucher der Band zu.
Fünf Minuten später sind die meisten Markstände verlassen, Obst, Gemüse, Tee und Haushaltswaren haben die Verkäufer unbewacht auf ihren ausgebreiteten Decken zurückgelassen. Verkaufen könnten sie jetzt sowieso nichts, da auch die meisten Kunden im Halbkreis auf den Felsen vor der improvisierten Bühne stehen. Ein junger Mann stellt sich auf sein Motorrad, damit er so den Auftritt der Kakau-Gruppe verfolgen kann.
Der Begriff hat nichts mit einem beliebten Schokogetränk zu tun, sondern steht als Abkürzung für den Namen eines Programms der katholischen Kirche in der Diözese Bukoba zur Aidsbekämpfung. 1991 gründete der Bischof der Diözese das Kakauprojekt und übertrug Father David Kamugisha die Verantwortung für diese Initiative.
Damals lag die HIV-Neuinfektionsrate bei 13 Prozent, jetzt liegt sie bei knapp vier Prozent. Father David, der auch Nationalpräses von Kolping Tansania ist, freut sich über den Erfolg. Aber zufrieden ist er noch lange nicht. "Wir müssen auch heute unermüdlich gegen die Tabuisierung von Aids angehen", sagt er.
In Itoju haben die jungen Sänger mittlerweile den ersten Applaus entgegengenommen und stimmen ihr zweites Lied an: "Höre, lieber Freund! Höre, was ich dir sage! Höre, wovor ich dich warne! Höre, ich werde dir etwas Wichtiges sagen!", singen sie in der ersten Strophe. Ohne dass das Publikum es bewusst wahrnimmt, ziehen die 20 Tänzer, Sänger und Musiker ihr Publikum immer mehr in ihren Bann.
Was Kakau hier auf den Hügeln in der Nähe des Victoriasees dem Publikum bietet, ist ein Feuerwerk der Unterhaltung. Die Botschaften "Sei treu! Übernehme Verantwortung! Töte dich nicht selbst!" werden vom Publikum mit der Musik aufgenommen.
Andrew Kagya Moderator
Bewusst singt Kakau in Haya, der lokalen Bantusprache. Andrew Kagya, der während des Auftritts in Itoju moderiert, erklärt das so: "Kisuaheli ist unsere offizielle Sprache, damit können wir sicher viel Wissen transportieren, aber wenn wir auf Haya singen, erreichen wir die Herzen der Menschen."
In der kurzen Pause ziehen sich einige Sänger und Tänzer um und stehen bald darauf wieder vor dem bunt gemischten Publikum - jetzt als Schauspieler. Wütend schimpft eine der Frauen auf ihren Mann ein und fordert von ihm, einen Aidstest machen zu lassen. Die zweite, jüngere Frau des Mannes steht weinend und hilflos daneben. Im Krankenhaus hatte sie erfahren, dass sie HIV-positiv ist. "Auf dem Land haben heute noch viele Männer mehrere Frauen", erklärt Andrew. "Diese Realität greifen wir auch in unseren Theaterstücken auf."
Nach Musik, Schauspiel und einigen Tanzdarbietungen greift Moderator Andrew zum Mikrofon und eröffnet die Diskussion. Ein Arzt und ein Katechet sind bereit für Fragen. Eine junge Frau fragt provokant: "Ihr gebt so viel Geld für Medikamente aus, um das Leben der Aidskranken zu verlängern. Warum gebt ihr ihnen nichts, um die sexuelle Lust zu stoppen, damit sie nicht noch mehr Leute anstecken?"
Ein junger Mann regt an, infizierte Menschen zu kennzeichnen. Das sind harte Worte, aber Moderator Andrew meint: "Auf sonderbare Gedanken, die in großer Runde ausgesprochen werden, können wir wenigstens reagieren." Der Arzt aus Bukoba entschärft die Fragen mit seinen Argumenten. Eine Stigmatisierung der Aidskranken sei menschenunwürdig und löse nicht das Problem, sagt er. Katechet und Arzt rufen stattdessen dazu auf, offen über Aids zu sprechen. "Seid treu in eurer Partnerschaft und lasst euch testen", ist eine der Kernbotschaften.
"Als eine Gruppe die von der katholischen Kirche bezahlt wird, werben wir nicht für den Gebrauch von Kondomen, sondern für Treue in der Partnerschaft", sagt Andrew Kagya. "Aber wir lassen bei unseren Events eine offene Diskussion zu." Der Moderator erklärt: "Hier sprechen wir mit Muslimen, Christen und Anhängern anderer Religionen. Natürlich bekennen wir uns zu unserer katholischen Position, aber wir nehmen den Menschen nicht die Möglichkeit, sich frei zu entscheiden."
Bei bis zu 60 Veranstaltungen im Jahr tritt die Kakau-Gruppe auf. Wie viele andere der jungen Akteure ist auch Andrew Kagya Kolpingmitglied. Im Programm von Kolping Tansania und Kakau gibt es deshalb immer wieder gegenseitige Unterstützung. Neben der Bewusstseinsbildung ist das soziale Engagement ein wichtiges Arbeitsfeld von Kakau. Die Zahl der Kinder, die ihre Eltern durch Aids verloren haben, wird auf etwa 200000 geschätzt. Davon leben 80 Prozent in der Diözese Bukoba. Mit Spendengeldern ermöglicht Kakau Aidswaisen den Schulbesuch.
Die Mitglieder der Kakau-Gruppe sind jung, das ist vor allem ein Vorteil beim Umgang mit Kindern und Jugendlichen. "Jugendliche denken anders und reden anders miteinander", sagt Andrew. Viele Jugendliche sind inzwischen besser über Aids und die Gefahren informiert als ihre Eltern.
Ihr Wissen geben die Kinder aber an die Eltern weiter. Damit kommt Kakau seinem Ziel ein großes Stück näher, das Andrew auf dem Marktplatz von Itoju so zusammenfasst: "Übernehmt Verantwortung! Bukoba ohne Aids ist möglich!"
Georg Wahl ist Redakteur des Kolpingmagazins beim Kolpingwerk Deutschland in Köln.