Ausflug Gräber erzählen Stadtgeschichte

Köln · Wer beim Spaziergang auf Melaten die bekannten, großen Wege wie die berühmte Millionenallee verlässt, kann spannende Geschichten aus und über Köln entdecken. Das gilt zum Beispiel für das Grab des Kölner Brauers Wilhelm Scheben.

Die Millionenallee mit ihren imposanten Gräbern ist eine der Hauptachsen auf dem Melatenfriedhof.

Foto: step/Eppinger

Er besaß das Brauhaus „Auf Rome“ an der „Wurfelpforte“. Als Brauer hat er in seiner Heimatstadt für das Reinheitsgebot geworben. Wichtig war ihm die Tradition der kölschen Brauer und deren Geschichte. Nur wenige Meter hat mit Hubert Heller ein weiterer Kölner Brauer seine letzte Ruhestätte gefunden. Das „Hellers Brauhaus“ an der Roonstraße wird heute von seiner Tochter Anna geführt. Etwas irritierend ist seine Berufsbezeichnung als Baumeister, bei der der Betrachter ein vergessenes „r“ vermuten könnte. Doch nicht nur das Brauen, sondern auch das Bauen war eine Leidenschaft des geradlinigen Gastronomen, wie die beiden Stelen aus Holz und Stein zeigen. Zu seinen eigenhändigen Umbauten zählte auch der frühere Sitz der Firma Flimm, wo einst der Kräuterlikör Kabänes hergestellt wurde und das heute der Hauptsitz der 1991 eröffneten Brauerei ist. Der Likör kommt inzwischen aus Brühl.

Nur ein paar Schritte weiter liegt das Grab des Armenarztes Andreas Gottschalk, der ursprünglich aus Düsseldorf stammte. Er setzte sich engagiert für die Cholerakranken ein und starb noch jung selbst an dieser Krankheit. Gottschalk war auch bei der Revolution von 1848 in Köln aktiv. Sein Grab wird heute von einer Gewerkschaft gepflegt. Ähnlich engagiert war auch der Fernsehjournalist Gert von Paczensky, der bei seiner Sendung „Panorama“ vor laufender Kamera gerne den Mächtigen auf die Füße trat. So legte er sich mit dem großen Franz-Josef Strauß aus Bayern an, der ihm den Spruch „Der Spitzbub muss weg“ widmete. Doch von Paczencky war auch ein Gourmet und Ehrenbürger der französischen Stadt Cognac.

Diese uns mehr als 500 andere Geschichten zu Gräbern auf dem Melatenfriedhof erzählt Detlef Rick in seinem neu aufgelegten und komplett überarbeiteten Friedhofsführer für Melaten. Dieser ist der bekannteste der Kölner Friedhöfe. Dort finden sich auf einer Fläche von 43,5 Hektar rund 55.000 Gräber. Den Friedhof kennt der Theologe als Trauerredner und langjähriger Friedhofsführer sehr gut. Dabei waren auch die Brauhaus-Wanderwege eine Leidenschaft des Kölners, der in Bonn inzwischen mit Ale-Mania auch eine eigene Craftbier-Brauerei betreibt. Bei der aktualisierten Auflage kamen 80 neue Gräber hinzu. Neue Kapitel im Buch behandeln zudem die Patenschaften für Gräber, die wichtig für den Erhalt des Friedhofs sind, sowie neue Grabformen wie die Bestattungsgärten der Friedhofsgärtner.

Diese sind wie kleine Landschaftsparks im 1810 eröffneten Friedhof an der Aachener Straße. Die Bestattungsgärten sind besonders gestaltet und weichen mit ihren organischen Wegeführungen von der alten Strukturierung des Friedhofs ab. Der Auengarten ist zum Beispiel um einen Tümpel angelegt. Dort gibt es auch Nisthilfen für Vögel, Fledermauskästen oder Bienenhotels. Im „Garten der Engel“ liegen liebevoll gestaltete Kindergräber hinter einer schützenden Hecke verbogen. Viele dieser Gärten sind auch Lieblingsorte der Besucher, da sie mit den Sitzbänken zum besinnlichen Verweilen einladen.

Auf Melaten liegt auch das Grab der bekannten Motto-Queen Marie-Luise Nikuta. Der Grabstein wurde liebevoll mit türkis leuchtenden Steinen, einer Eule und Konfetti gestaltet. Per QR-Code auf dem Grab kann mit dem Handy eines ihrer Lieder abgerufen werden. An der Millionenallee liegen auch zwei andere Karnevalistengräber. Dazu gehört das mit einem kleinen Lumpenclown verzierte Grab des früheren Festkomiteepräsidenten Hans Horst Engels. Schräg gegenüber hat Hans-Gert Kierdorf seine letzte Ruhestätte gefunden. Sein Grab ziert „De möde Funk“ in Bronze, der für die Opladener Altstadtfunken steht. Für die Figur hatte Kierdorf selbst noch Modell gestanden. Die Grableuchte in Form einer Zugschlusslampe hat den Bezug, dass der Karnevalist am früheren Standort des Bahnausbesserungswerkes in Opladen den Titel eines „Ehrenlokführers“ erhalten hatte.

Zwei der außergewöhnlichsten Engel sind der Art-déco-Engel auf dem Grab von Paul Duve und der Engel auf dem Grab von Britta und Ulrich Findeisen, der an ein mythisches Wesen erinnert. Unweit davon hat das unscheinbare Grab, des früheren Reichspräsidenten Wilhelm Marx seinen Platz gefunden – ein Sozialdemokrat, der mit 38 Monaten die längste Amtszeit in dieser Funktion hatte. In unmittelbarer Nähe liegt neben dem Grab des bekannten Kölner Architekten Wilhelm Riphahn die letzte Ruhestätte des Malers Anton Räderscheidt, der wegen einer Namensverwechslung einen unfreiwilligen Umzug hinter sich hat. Sein Grab wurde fälschlicherweise aufgelöst. Doch die Urne blieb erhalten und konnte neu beigesetzt werden.

Der so informative wie auch spannende Führer über Melaten verfügt in der aktuellen Ausgabe auch über neue Übersichtspläne, wo die Graborte genau verzeichnet worden sind. Das Buch ist nach der Lage der Gräber auf dem durch den Hauptweg und der Mittelachse (Millionenallee) unterteilten Gelände gegliedert. So lassen sich Spaziergänge über den großen Friedhof gut und einfach organisieren. Erneuert wurden auch die Fotografien, für die Britta Schmitz verantwortlich war.