Herr Schüttlöffel nimmt Geiseln in der Hauptschulaula
Zum Jubiläum präsentiert der Förderverein der Stadtbücherei Thomas Freitag.
Burscheid. 90 Zuschauer in der Aula der Friedrich-Goetze- Hauptschule blicken gespannt auf das Bühnenbild: Man sieht einen Schreibtisch, hohe Bücherregale, auf dem Boden sind Bücher verteilt und ganz rechts im Bild befindet sich sogar ein Bett. Ist es ein Schlaf- und Arbeitszimmer oder ein Büro?
Plötzlich Geräusche aus dem Off, Sirenen, ein plötzlicher Krach und dann eine Stimme: „Hier eskaliert die Lage, 580 Geiseln in Form von Büchern werden festgehalten, ein gewisser Herr Schüttlöffel hat die Bücherei unter Kontrolle“.
Thomas Freitag in seiner Rolle als kaltwütiger Herr Schüttlöffel.
Da hatte der Förderverein der Burscheider Stadtbücherei sich zum 25-jährigen Jubiläum ein passendes Geschenk gemacht: Thomas Freitag präsentierte sein politisches Kabarett „Der kaltwütige Herr Schüttlöffel“.
Seit 30 Jahren arbeitet Schüttlöffel, alias Thomas Freitag, in einer Stadtbibliothek, die auf Grund von Einsparungsmaßnahen geschlossen werden soll. Er macht sich auf eine Reise durch das Innenleben der Bibliothek: Aus den Schriften von Karl Marx spricht plötzlich dieser höchst selbst mit der Stimme des Greises und Freitag verwandelt sich in die Person von Karl Marx, indem er sich einen dicken weißen Bart ansteckt und mit Gehstock gebeugt über die Bühne schlurft.
In dieser Rolle hinterfragt er die Bedeutung der Theorien von Marx in der heutigen Zeit und setzt sich mit dessen Kritik am Kapitalismus auseinander: „Alle werfen den Managern und Bankern Gier vor, aber wer kauft denn letztendlich? Die Konsumenten!“
Freitag, in der Rolle von Marx, wundert sich, warum sich alle darüber aufregen, denn keiner gehe mehr in den Buchladen, „ ... alle kaufen bei Amazon!“ Die gute deutsche Textilindustrie sei tot, denn die Konsumenten kauften lieber bunte Shirts für drei Euro, die in billiger Kinderarbeit bemalt würden.
Freitag schafft es, einen Kabarettabend auf höchstem Niveau zu präsentieren, sorgt für viele Lacher, aber regt die Besucher auch zur Selbstreflexion an. In die Rolle von Karl Marx geschlüpft zieht er das Fazit „Wir alle sind nicht besser als die Banker — Niedrigst-Preise lassen sich nur durch Ausbeutung von Menschen und Ressourcen erreichen — meine Ideen sind sehr gut, finden aber nur Platz in einer Welt ohne Menschen!“
Der Bibliothekar wandelt sich, redet sich in Rage, wird wütend über die Kürzung bei den Kulturausgaben und die wachsende Schnäppchenmentalität in der Gesellschaft. Dabei kommen Schelten gegen bekannte Politiker nicht zu kurz.
So führt er dem Zuschauer Ursula von der Leyens Verteidigungspolitik vor Augen, die familienfreundlichere Bundeswehr und mehr Auslandseinsätze fordert. Herr Schüttlöffel fragt sich, ob die Verteidigungsministerin wohl Legoland angreifen möchte: Er stellt sich Soldatenfamilien im Auslandseinsatz vor, deren Kinder die dortigen Kitas besuchen oder im afghanischen Sand buddeln, während ihre Eltern im Einsatz sind.
Ronald Pofallas Beschäftigungswechsel zur Deutschen Bahn führt er auf dessen Interesse an Gleisen zurück, und ergänzt bissig: „Wohl eher nur an dem Schotter!“ Als Pommesbudenbesitzer ruft Freitag zusammen mit dem Bibliothekar zur Bastion gegen den Fitness- und Gesundheitswahn in der Gesellschaft auf und sieht diesen in direktem Zusammenhang mit dem zunehmenden Optimierungswahn ganz im Sinne von „liberté, égalité und POMMESFRITTEE“ - Freitags’ Geschichten über den Bibliothekar Schüttlöffel sind vielschichtig, weisen verschiedenste Sichtweisen auf und dennoch reiht sich letztendlich alles am roten Faden auf, den Herr Schüttlöffel in seiner verzweifelten Situation fest in der Hand hält.
Freitag schafft es durch sein vielfältiges Rollenspiel, unterschiedlichste Sichtweisen zu kreieren und mit seiner brillanten schauspielerischen Leistung das Publikum an diesem Abend zu begeistern.