„Ich hatte Bauchschmerzen im Kopf“

Im Theater am Dom läuft bis zum 15. Juli das Stück „Honig im Kopf“. Hauptdarsteller sind Achim Wolff und Johannes Brandrup.

Foto: Haentzschel

Wie schwer war es, einen Kinofilm auf die Theaterbühne zu bringen?

Achim Wolff: Dieter Hallervorden war am Berliner Schlosspark-Theater mein Chef und so hat mich der Film „Honig im Kopf“ mit ihm in der Hauptrolle sehr interessiert und beeindruckt. Als ich dann das Angebot zum gleichnamigen Bühnenstück bekam, konnte ich mir zunächst nicht vorstellen, wie man diesen gewaltigen, personenreichen Stoff auf die Bühne bringen kann. Im Film gibt es eine Vielzahl an Situationen, die man nur schwer für das Theater umsetzen kann — da hatte ich schon Bauchschmerzen im Kopf.

Aber schließlich ist es dann doch gelungen.

Wolff: Ja und das ganz hervorragend. Es wird dabei sehr sensibel mit der Krankheit und Humor umgegangen und man kann und muss anders als beim Film auf viele Dimensionen verzichten. So braucht man zum Beispiel Venedig als Sehnsuchtsort nicht bildhaft dokumentieren, jeder im Publikum hat seine ganz eigenen Vorstellungen und Erfahrungen im Kopf und die spielt man uns zu. Das gilt auch für den Umgang mit der Krankheit Alzheimer. Man lässt den Leuten ihre Fantasie, man muss sie nicht manipulieren und das macht einem als Schauspieler deutlich mehr Spaß.

Für Köln wurde ein Teil der Rollen neu besetzt.

Wolff: Das stimmt, in Berlin hatte sich Dieter Hallervorden seine Besetzung für die Uraufführung aus seinem Berliner Umfeld gewählt. Dazu gehörte neben mir auch Karsten Speck und Astrid Kohrs. Diese Rollen haben jetzt Johannes Brandrup und Natascha Hirthe übernommen und die machen es einfach toll.

Johannes Brandrup: Und mir macht die Zusammenarbeit mit Achim Wolff sehr viel Spaß. Es ist toll, im bei der Arbeit zu zugucken.

Wolff: Ich habe die Rolle in „Honig im Kopf“ bereits mehr als 300 Mal gespielt. Aber mit der neuen Besetzung in Köln erreichen wir ganz neue Dimensionen. Das liegt auch an der Freude am Spiel, die die Kollegen mit auf die Bühne bringen. Es wird auf eine wunderbare Art und Weise provoziert — aber nicht durch Pointen. Es ist keine vordergründige Heiterkeit, wichtig ist immer der gewisse tragische Moment. Das ist mir immer sehr wichtig.

Es ist auch nicht leicht, eine Krankheit wie Alzheimer mit Humor zu verbinden.

Wolff: Ernsthaftigkeit ist die Basis für jede Art von Humor. Alzheimer ist als Krankheit sehr erschütternd. Oft erleben wir Reaktionen des Publikums, wenn wir nach der Vorstellung noch ins „Schmittchen“ gehen. Dann bekommen wir Komplimente, aber auch sehr persönliche Geschichten von Leuten, die mit dieser Krankheit schon persönliche Erfahrungen gemacht haben. Da fließen auch schon mal die Tränen. Der Film von Til Schweiger ist für den Umgang mit dieser Krankheit ein unglaublicher Gewinn — er hat gezeigt, wie wichtig für die Familie der Erkrankten es ist, ihnen Lebensfreude und neue Lebensziele zu geben.

Johannes Brandrup

Haben Sie auch schon persönliche Erfahrungen in der Familie?

Brandrup: Meine Großmutter hatte eine leichte Demenz. Für sie war es wichtig, dass man ihr nahe war, ihr zugehört hat und ihr Glück und Freude gegeben hat. Dann ging es meiner Großmutter direkt wieder besser und die Krankheit rückte in den Hintergrund. Das sind Erfahrungen, die auch viele Menschen im Publikum gemacht haben, entsprechend emotional sind auch die Reaktionen während des Stücks. Das hat dann oft auch etwas Befreiendes und Erlösendes.

Wolff: Bei mir ist es meine Schwiegermutter, die erkrankt ist. Wenn man erlebt hat, wie geistig agil sie früher war, macht einen diese Krankheit ganz schön traurig und auch ängstlich. Das Theaterstück macht einem aber den Umgang mit Alzheimer etwas einfacher, es ist emotional direkter und dichter als der Film. Eine Zuschauerin hat neulich am Bühnenausgang auf mich gewartet und sagte, der Film hat sie schon sehr ergriffen, aber heute im Theater hat sie geweint. Das liegt auch in der Zusammenarbeit mit René Heinersdorff, der kein Regiediktator ist, sondern das Stück mit uns gemeinsam erarbeitet hat. Das war sehr harmonisch.

Wie gehen Sie selbst mit so einer Krankheit um?

Wolff: Ich werde 80, da denkt man über solche Dinge natürlich schon mal etwas intensiver nach. Aber der Film und das Theaterstück zeigen, wie man mit Alzheimer umgehen kann und muss, machen dem Ängstlichen auch wieder Hoffnung. Bei uns dürfen die Tränen der Leute im Auge bleiben. Lachen und Weinen sind hier sehr nahe beinander.

Brandrup: Wenn man das in der eigenen Familie erlebt hat, sind Alzheimer und Demenz Dinge, die einen beschäftigen. Bei meiner Großmutter kam die Krankheit, als ein ihr nahestehender Mensch gestorben ist, also ganz ähnlich wie im Stück. Dort geht es auch darum, was so eine Krankheit für die ganze Familie bedeutet. Das ist einer sehr große Belastung und man ist irgendwie wütend auf den Kranken, weil er nicht mehr der ist, der er einmal war. Und es geht darum, was man macht — pflegt man zu Hause, holt man eine Pflegekraft und ist ein Heim die Lösung. Da macht einem der Zustand des Pflegewesens in Deutschland mit unsagbar schlecht bezahlten Pflegekräften Angst.

Wie ist Ihre Beziehung zu Köln?

Wolff: Ich bin Berliner und im Schlosspark-Theater ist das für mich immer ein Heimspiel. Aber in Köln fühle ich mich pudelwohl. Wir sind hier aktuell wirklich toll versorgt und untergebracht. Nur der Verkehr hier macht mir etwas Sorgen, ich wohne zwischen Potsdam und Berlin im ländlichen Raum, ich habe mein Auto, seitdem ich hier angekommen bin, nicht mehr bewegt.

Brandrup: Ich habe in Essen studiert und war schon oft für Dreharbeiten in Köln. Ich mag diese Stadt sehr — gerade am Rhein fühle ich mich sehr wohl. Das Theater am Dom finde ich toll. Dieser Raum hat eine unglaubliche Energie — auch wenn man sieht, wer hier schon auf der Bühne gestanden ist. Es ehrt einen jetzt Teil dieser Tradition zu sein.

Mit den Ku’damm-Bühnen geht in Ihrer Heimatstadt gerade eine Tradition zu Ende. Wie empfinden Sie das?

Wolff: Das geht mir sehr, sehr nahe. Ich habe gerade dort vor dem Abriss die letzten Vorstellungen mit der „Pension Schöller“ gespielt. Mit diesem Stück habe ich dort 1400 Mal auf der Bühne gestanden. Dass ein solches Traditionstheater, einst von Max Reinhard gegründet, nun einem Einkaufszentrum weichen muss, kann man gar nicht in Worte fassen. Dieses Theater war nach der Wende mein künstlerischer Lebensretter. Boulevardtheater in der Vielfalt gab es in der DDR nicht, da war eine neue Herausforderung angesagt. Ich hatte mit Friedrich Schoenfelder, Wolfgang Spier, Edith Hancke großartige Vorbilder.

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