KAG: Rückhalt für den umstrittenen Begriff der Leitkultur

Bundestagspräsident Lammert war Gastredner des 30. Altenberger Parlamentariertreffens.

Altenberg. Der Begriff Leitkultur stammt nicht von Norbert Lammert. Doch in der nun fast schon zehn Jahre währenden Diskussion um Integration und den inneren Zusammenhalt einer Gesellschaft hat der heutige Bundestagspräsident die Frage, was mit diesem Begriff gemeint sein könnte, immer wieder neu angestoßen - aktuell beim 30.Parlamentariertreffen am Mittwoch in Altenberg.

Der Wuppertaler Werkzeughammer, den die Kommunale Arbeitsgemeinschaft Bergisch Land (KAG) aus Anlass des Jubiläums jedem Gast auf den Tisch gelegt hatte, passte nun allerdings gar nicht zu der analytisch scharfen, inhaltlich aber sehr differenzierten Argumentation des Bochumer CDU-Abgeordneten. Auch der KAG-Vorsitzende und Solinger Oberbürgermeister Franz Haug mochte das Geschenk nicht politisch verstanden wissen.

Haug lobte das jährliche überparteiliche Zusammenkommen bergischer Abgeordneter der Europa-, Bundes-, Landes- und Regionalebene als "bundesweit einzigartig": "Wir haben uns niemals auseinanderdividieren lassen." Die Bettlerkostüme der gemeinsamen KAG-Aktion 2003 vor dem Berliner Reichstag haben es inzwischen ins Bonner Haus der Geschichte geschafft. Dort könnten die Bergischen sie bei Bedarf auch schneller wieder herausholen als aus einem Berliner Museum, witzelte Lammert.

Danach allerdings verließ der Bundestagspräsident umgehend das Niveau kaffeekranzbegleitender Nettigkeiten. Mit dem Begriff der Leitkultur den "Anspruch einer Kultur auf Überlegenheit gegenüber anderen Kulturen zu verbinden", sei absurd. "Völlig unverzichtbar" sei im Gegenzug aber der Geltungsanspruch einer Leitkultur für eine konkrete Gesellschaft.

Dieses "Mindestmaß an Gemeinsamkeit" sei als Notwendigkeit in Familien hinreichend erfahrbar. "Es ist eine Illusion, dass sich diese Notwendigkeit in komplexeren, größeren Lebensgemeinschaften verflüchtigt."

Lammert bezeichnete die Religionen als "die wichtigsten Agenturen für die Bildung und Vermittlung von Werten". Damit seien weltweit zwei Verirrungen verbunden: die Anmaßung, religiöse Überzeugungen mit fundamentalem Eifer als staatliches Recht zu exekutieren, aber auch, sie für bedeutungslos zu erklären. Die Verbindung von Glaube und Vernunft hält er für einen zentralen Wesenszug abendländischer Gesellschaften - und erteilte zugleich allen betonierten Wahrheiten eine Absage: "Merkmal und Gütesiegel unser Kultur ist der Zweifel."