Wie ist bei Ihnen die Idee für dieses besondere Backbuch entstanden?
Genuss Süße Kunstwerke neu betrachtet
Köln · Namen wie „Frankfurter Kranz“, „Schwarzwälder Kirschtorte“ oder „Bienenstich“ lösen bei fast jedem Menschen sofort Erinnerungen aus - sei es die große Kaffeetafel der Familie in der Kindheit oder auch der jüngste Besuch im Café.
Die Kuchen und Torten sind die Klassiker der Konditorkunst. In den Blick genommen wurden diese Rezepte jetzt vom Kölner Konditormeister Matthias Ludwigs, Mitinhaber von „Törtchen Törtchen“ und dem Food-Autor und Journalisten Johannes J. Arens. Entstanden ist daraus das Backbuch „Die Konditorei“. Wir haben die Autoren in der Backstube in Riehl getroffen.
Johannes J. Arens: Ursprünglich hatten wir den Plan, mit unserer Fotografin Jennifer Braun bundesweit 16 Konditoren zu besuchen, die uns ihr Rezept eines Klassikers vorstellen. Dem wollte dann Matthias seine innovative Interpretation gegenüberstellen. Das Konzept ließ sich so nicht umsetzen, sodass wir uns dann auf vier Konditoren beschränkt haben und Matthias auch die Klassiker selbst produziert hat. So waren wir bei der Konditorei Schlechtrimen in Kalk, beim Café Niederegger in Lübeck, beim Erfinder des Baumkuchens Groch & Erben in Cottbus und bei der Erfinderin der Prinzregententorte, der Konditorei Erbshäuser in München.
Matthias Ludwigs: Wir haben uns bei den Reportagen vor Ort alle Produktionsschritte für die Klassiker ansehen können. Meine Kuchen habe ich in unserer Backstube oft über Nacht produziert, fotografiert wurden diese dann im Atelier von Jenny in Poll. Bei der finalen Auswahl mussten wir eine lange Liste abarbeiten. Kriterium war immer, dass man die Kuchen, Torten und kleinen Gebäcke bundesweit kennt, auch wenn wie beim Baumkuchen auch regionale Aspekte mit einfließen.
Zu den Klassikern gibt es immer eine kleine Geschichte?
Arens: Ich versuche, da immer die Kulturgeschichte der Klassiker und ihre Herkunft zu erzählen. Bei manchen Torten wie der Flockensahne weiß man aber überhaupt nicht, wie diese entstanden sind. Bei anderen wie dem Frankfurter Kranz gibt es auch Legendenbildung. So soll dieser sich auf die Kaiserkrönung in Frankfurt beziehen und die Kirschen die Rubine und der Kranz die Krone darstellen. Allerdings wurde die Art von Kirschen erst weit später erfunden.
Und so mancher Klassiker hat sich auch im Laufe der Zeit verändert?
Ludwigs: Da wurde wie beim Frankfurter Kranz viel verhunzt. Heute besteht dieser oft aus einer nichtssagenden fetten Rührmasse, neutralen Böden und das Einzige, das etwas Geschmack gibt, ist der Krokant außen herum. Da spiegelt sich auch die deutsche Fresswelle der 50er Jahr wider. Oft arbeiten die Rezepte der Klassiker mit tollen Zutaten und sammenspiel der Komponenten nicht stimmt, schmeckt der Kuchen nicht.
Das lassen Sie auch bei Ihren Neukreationen der Klassiker mit einfließen.
Arens: Beim Backen steht im Gegensatz zum Kochen die äußere Ästhetik im Vordergrund. Man will, dass eine Torte so aussieht „wie gekauft“. Daher fehlt oft der Mut zum Experiment. Und genau diesen Mut möchten wir durch unser Buch wecken.
Wie sind Sie konkret vorgegangen?
Ludwigs: Ich habe die Zutaten und die Kombinationen nicht infrage gestellt. Verändert habe ich aber die Proportionen und die Verhältnisse der Zutaten untereinander. So habe ich bei der Schwarzwälder Kirschtorte den Sahneanteil reduziert und mit mehr Schokolade gearbeitet. Daraus ist dann mein sehr aromatisches Schwarzwälder Türmchen entstanden. Der Frankfurter Kranz hat sich bei mir in eine Schnitte verwandelt, die zwar wie der Klassiker geschichtet bleibt, die aber in der kleinen Version passend zum äußeren Krokant einen geschmackvollen Nussboden bekommt.
Wie haben sich die Anlässe beim Kuchen- und Tortengenuss verändert?
Ludwigs: Die große Kaffeetafel gab es bei uns früher in der Familie jeden Sonntag. Heute macht man so etwas nur noch an großen Feiertagen. Bei uns in den Filialen genießt man die Törtchen heute oft lieber mobil, auf der Hand. Aber auch die alten Cafés, wie das Wahlen an den Ringen, werden bei jungen Leuten als exotische Orte immer beliebter.
Wie sind Sie selbst zu Ihrem Beruf gekommen?
Ludwigs: Ich habe eigentlich Koch gelernt, mich dann aber vor allem für Desserts und die Patisserie interessiert. So kam der Entschluss, mich im Kölner Café Fromme zum Konditor ausbilden zu lassen. Später habe ich dann unter anderem bei Stefan Marquard in München, bei Dieter Müller auf Schloss Lerbach und auf der MS Europa gearbeitet. 2009 kam im Kölner Hyatt die Auszeichnung als „Patissier des Jahres“. Ich wollte aber nicht in der Gastronomie bleiben und habe so die Gelegenheit genutzt, 2012 bei „Törtchen Törtchen“ die Leitung der Backstube zu übernehmen.
Johannes J. Arens, Matthias Ludwigs, Jennifer Braun: Die Konditorei - 50 Backrezepte traditionell und innovativ, Christian-Verlag, 224 Seiten, 29,99 Euro.