Kultur Kunst des Ausstellens und des Sehens
Köln · Die Urform des Museums führt auch bei den Menschen von heute noch zum Staunen und zur Neugier. Die Kunst- und Wunderkammern herrschten in Europa vom späten 16. bis zum 18. Jahrhundert vor. In ihr fanden sich Tierpräparate wie ein aufgeblasener, stachliger Kugelfisch und exotische Dinge wie Muscheln oder ein Kokosnusspokal genauso wieder wie anatomische Modelle, Gemäldee oder Trinkgefäße in Form eines Schiffes.
Naturobjekte und Objekte aus fernen Ländern wurden von Fürsten und Gelehrten genauso gesammelt wie wertvolle Kunstgegenstände, wissenschaftliche Gerätschaften oder Kuriositäten. So entstand ein kleiner Raum, der versuchte, die damals bekannte Welt in all ihren Facetten abzubilden. Genauso eine Wunderkammer findet sich am Anfang der neuen Ausstellung „Museum der Museen“ im Wallraf, die bis zum 9. Februar ihre Besucher mit rund 230 Exponaten aus 400 Jahren mit auf eine spannende Zeitreise des Ausstellens und des Sehens mitnimmt. Sie zeigt, wie sehr Kunstbetrachtung früher, heute, aber auch morgen von den Menschen abhängt.
Gemäldegalerien füllten
die Wände im Barock
Eindrucksvoll waren auch die mächtigen Gemäldegalerien im Barock mit ihrer wandfüllenden Hängung in großen repräsentativen Sälen, die das Auge kaum zur Ruhe kommen lässt. Festgehalten wurde diese Art der Präsentation von Kunst in den Galeriebildern, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts als Bildtypus in Antwerpen entstanden. Den Gemäldegalerien des Barocks folgte in der Epoche der Aufklärung die Hängung nach Zeiten und Schulen.
Neben den Fürsten trugen auch Bürger und Künstler im Rahmen ihrer Möglichkeiten Kunst zusammen. Zu den großen und wichtigen Sammlern gehörte der Kölner Ferdinand Franz Wallraf, dessen 200. Todesjahr den Anlass zur aktuellen Sonderausstellung gab. Der Sohn eines Schneidermeisters war Priester, Magister für Medizin, Professor und später auch Rektor der Kölner Universität. Er sammelte naturwissenschaftliche Dinge wie Fossilien genauso wie Münzen, Bücher und natürlich auch Kunst in allen Facetten, mit der er die Basis für das erste Kölner Museum geschaffen hat.
Sein eigenes Museum erlebte der Kölner Sammler zu Lebzeiten aber nicht mehr. Dafür besuchte er erste große Museen, die um 1800 als neue Form der Präsentation entstanden. So war er im Louvre in Paris genauso wie die Düsseldorfer Gemäldegalerie zu Gast. Mit dieser neuen Institution war Kunst nun einem breiten, zunehmend selbstbewussten Publikum erstmals zugänglich.
Die Schau wirft in einem Raum auch einen Blick auf ´“Wallrafs Sammelsurium“. Dazu gehörten seine mittelalterlichen Werke der Kölner Malerschule, die heute im ersten Stock des Museums gezeigt werden. Insgesamt war Wallrafs Sammlung aber von enzyklopädischer Breite, die noch bei der Seh- und Denkform von der Kunst- und Wunderkammer geprägt war. Dies zeigt der Blick auf die „Kunstkammerwand“ in der Ausstellung.
Diese blickt auch auf die Entwicklung vom „Wallrafianum“, das 1827 im Kölner Hof eröffnet wurde, bis zum späteren Wallraf-Richartz-Museum. Dabei dokumentieren Werke von Künstlern die verschiedenen Arten der Hängung in den Sälen des Hauses. Dazu zählt die dekorative Hängung der Niederländer-Sammlung Ende der 1880er Jahre oder die progressive Hängung mit dem Nebeneinander der Bilder zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Präsentiert werden bei der Ausstellung auch zwei besondere, international beachtete Ausstellungskonzepte aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die vor Ort praktisch umgesetzt werden. Daniel Spoerri war mit seinem legendären „Musée sentimental“ 1979 im Kölnischen Kunstverein zu Gast. John Cage begeisterte mit seinem „Museumzirkus“ die Kunstwelt in Los Angeles.
Allein für den Cage-Saal wurden rund 60 Leihgaben aus 17 Kölner Museen zusammengetragen, die nach dem Zufallsprinzip ausgesucht wurden. Ein Teil der Exponate befindet sich im Saal hinter Gittern im „Depot“ und wird regelmäßig mit den gezeigten Objekten ausgetauscht. Bei dem amerikanischen Künstler und Komponisten wird der Zufall so zum Kurator einer Ausstellung gemacht.
Spoerris erstmals 1977 im Pariser Centre Pompidou präsentiertes Konzept räumte mit der herkömmlichen Vorstellung auf, ein Museum stelle ausschließlich historisch bedeutsame Werke aus. Hier stießen Kunstwerke und Reliquien unvermittelt auf Objekte des Alltags, an die sich in Köln Geschichten und Erinnerungswerte der Domstadt banden. So entstand eine zeitgenössische, auch mit Fiktion spielende Variante der Kunst- und Wunderkammer, das „Musée sentimental de Cologne“.
Am Ende der Schau wird das Museum der Zukunft thematisiert, das die neuen digitalen Möglichkeiten nutzt. Denn inzwischen verfügen viele Museen und ihre Exponate über einen virtuellen Zwilling, auf den Menschen rund um den Globus jederzeit Zugriff haben. Wie die digitale Entstofflichung der Museen aussehen könnte, zeigt Ingo Günther in seiner zweiteiligen raumgreifenden Arbeit „Museumsnavigator“.