Wie fällt die vorläufige Bilanz Ihrer ersten Spielzeit als Opernintendant in Köln aus?
Kultur „Das Leben in Köln ist sehr dynamisch und manchmal auch etwas chaotisch“
Köln · Die Kölner Oper plant ab dem kommenden Herbst ihre letzte Spielzeit in ihrem Ausweichquartier im Deutzer Staatenhaus. Im März 2024 soll die Schlüsselübergabe für Oper und Schauspiel am angestammten Ort auf dem Offenbachplatz stattfinden.
Für den neuen Opernintendanten Hein Mulders ist die laufende Spielzeit die erste in Köln. Im Gespräch mit unserer Zeitung zieht der Niederländer eine vorläufige Bilanz und blickt auf die neue Spielzeit 2023/24.
Hein Mulders: Die Spielzeit läuft bislang sehr gut, wir sind dabei, wieder an die Besucherzahlen in der Zeit vor Corona anzuknüpfen. Unser Ziel war es, mit unserem Programm ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Das wollen wir mit den großen Namen wie Mozart oder Verdi genauso so erreichen wie mit Werken, die lange nicht mehr auf dem Spielplan in Köln standen. Das Staatenhaus als Interimsspielstätte bedeutet für uns bei jeder Inszenierung wieder eine neue Herausforderung, wenn es beispielsweise um die bestmögliche Akustik geht. Bei der Eröffnung der Spielzeit mit „Les Troyens“ gab es einen Laufsteg für die Protagonisten um das Orchester herum: beide saßen beim Publikum fast auf dem Schoß. Damit konnten wir den Raum optimal nutzen und eine hervorragende Akustik bieten, die Menschen aus der ganzen Welt nach Köln gezogen hat. Aber das ändert sich von Inszenierung zu Inszenierung, da müssen wir das Rad wie bei „Luisa Miller“ oder „Der Zwerg“ jedes Mal wieder neu erfinden. Aber ein Ende des Interims ist ja in Sicht.
Wie groß ist die Sorge, dass es weitere Verzögerungen bei der Schlüsselübergabe und dem Neustart am Offenbachplatz geben könnte?
Mulders: Seit jetzt etwa einem Jahr steht fest, dass die Schlüsselübergabe am Offenbachplatz im März 2024 stattfinden soll. Damit könnten wir dort zur Spielzeit 2024/25 starten. Für uns bedeutet das eine durchaus sportliche Herausforderung, den Spielbetrieb in den Folgemonaten und in der Sommerpause vorzubereiten. Wir werden hier im Staatenhaus in Deutz weiter unser Programm auf die Bühnen bringen und müssen dann zeitgleich das Opernhaus am Offenbachpatz für die kommende, erste Spielzeit vorbereiten. Man muss eigentlich bei der Planung für die Spielzeit 2024/25 jeden Tag zweigleisig fahren und immer beide, mögliche Szenarien bedenken. Das ist für alle eine sehr große Herausforderung, aber wir sind auf alles gefasst.
Wie erleben Sie als Intendant das Staatenhaus?
Mulders: Das ist für das gesamte Team der Oper wie bei einem Dauerfestival, bei dem wir bei jeder Produktion gemeinsam mit den Regisseurinnen und Regisseuren sowie Dirigentinnen und Dirigenten etwas Schönes und Außergewöhnliches gestalten wollen. Auch bei der Ruhrtriennale muss man mit leeren Räumen auskommen. Allerdings haben wir hier im Staatenhaus über viele Jahre Erfahrungen mit dieser Situation, zum Beispiel bei der Beleuchtung oder der Akustik, sammeln können, auf die wir immer wieder zurückgreifen können. Am Offenbachplatz werden wir mit einer ganz anderen Situation konfrontiert sein. Da ist dann alles auf dem neuesten Stand der Bühnentechnik. So passiert im Staatenhaus noch viel mechanisch, am Offenbachplatz läuft dagegen fast alles computergesteuert. Auch darauf muss sich unser Team jetzt vorbereiten.
Wie gut kennen Sie die Baustelle des Opernhauses am Offenbachplatz?
Mulders: Wir haben jeden Monat zusammen mit dem Bauherrn und unserem Team vor Ort einen Baustellentermin. Noch sieht dort alles sehr nach Rohbau aus, richtig schön gemacht wird die Oper erst in der Schlussphase der Sanierung. Jetzt geht es aktuell vor allem um die neue Technik. Wichtig für uns ist aber auch die neue Raumsituation, die den aktuellen Anforderungen an eine Oper, wie in den Bereichen Erziehung oder Diversität, gerecht werden muss. Da hat sich im Vergleich zur Zeit vor der Sanierung sehr viel geändert. Komplett neu ist auch die Situation in der Kinderoper, die sehr spektakulär sein wird, und die wir auch für weitere Formate im Programm nutzen werden.
Sie haben große Teile des alten Sänger-Ensembles übernommen. Wie läuft hier die Zusammenarbeit?
Mulders: Die läuft sehr gut. Sowohl durch meine Erfahrungen als Castingdirektor als auch als Intendant bin ich den Sängerinnen und Sängern immer sehr nah gewesen. Bei der deutschen Oper setzt man auf ein festes Ensemble, während man international eher jede Rolle mit Gästen besetzt. Das ist etwas, das ich während der zehn Jahre in Essen gelernt habe. Hier macht das Ensemble die Identität eines Theaters aus und wird zur DNA für das Haus. Als ich in Köln angetreten bin, war klar, dass es in der ersten Spielzeit, auch aus sozialen Gründen, keine großen Veränderungen geben wird, auch wenn wir das eine oder andere neue Ensemblemitglied geholt haben. Danach ergibt sich Veränderung dann ganz organisch, das hat auch in Essen sehr gut funktioniert.
Was sind für Sie die Highlights in der noch laufenden Spielzeit?
Mulders: Händels Barockoper „Guilio Cesare In Egitto“ gehört zu meinen absoluten Lieblingsopern. Besonders freue ich mich, dass Rubén Dubrovsky hier die musikalische Leitung übernehmen wird. Auch der „Fliegende Holländer“ mit unserem wunderbaren Generalmusikdirektor François-Xavier Roth, der gerade Premiere gefeiert hat, und der noch bis Anfang Mai hier zu sehen sein wird, ist ein großes Highlight für das letzte Drittel dieser Spielzeit.
Welche Höhepunkte erwarten das Publikum ab dem Herbst 2023?
Mulders: Wir eröffnen die neue Spielzeit direkt mit einem Knall. Richard Strauss‘ „Die Frau ohne Schatten“ ist ein sehr komplexes Werk. Besonders stolz sind wir, dass mit Marc Albrecht ein echter Star die musikalische Leitung übernommen hat. Inszeniert wird das Stück von der jungen Regisseurin Katharina Thoma, von deren tollem Konzept ich mir sehr viel verspreche. Weitere große Premieren haben wir mit Mozarts „Idomeneo“ und Verdis „Un Ballo In Maschera“ sowie „L‘Elisir D‘Amore“ von Gaetano Donizetti, ein Stück, das in Köln lange nicht mehr zu sehen war. Premieren gibt es zudem „L‘Incoronazione die Poppea“ von Claudio Monteverdi und „Die Soldaten“ von Bernd Alois Zimmermann in Kooperation mit dem Gürzenich-Orchester als halbszenische Aufführung. Dazu kommen zwei Uraufführungen: Im Einwandererdrama „The Strangers“ thematisiert der amerikanische Komponist Frank Pesci ein düsteres historisches Ereignis. 1890 wurde der Polizeichef von New Orleans ermordet, ein Verbrechen, das sizilianischen Einwanderern zur Last gelegt wurde. In „INES“ von Ondrej Adámek wird der Orpheus-Mythos ins Umfeld einer atomaren Katastrophe gebracht. Die „Perlenfischer“ von Bizet bringen wir im Juni als konzertante Aufführung auf die Bühne, auch weil dann schon die Vorbereitungen für den Neustart am Offenbachplatz auf Hochtouren laufen.
Wie erleben Sie Köln als Kulturstadt?
Mulders: Köln ist mit seiner Kulturszene eine sehr diverse und facettenreiche Stadt. Hier gibt es an jeder Ecke, wie bei den vielen Museen, Kultur zu erleben. Die Stadt hat eine sehr kulturaffine Mentalität, die mich an meine Zeit in Amsterdam erinnert. Das Leben in Köln ist sehr dynamisch und manchmal auch etwas chaotisch. Und hier wird das geschätzt, was man tut.
Was werden Sie am Staatenhaus vermissen?
Mulders: Im Staatenhaus gibt es die besondere Situation, dass im Foyer alle zusammenkommen. Das Publikum trifft hier auf Orchestermusiker und Sänger, die zur Bühne gehen oder die gerade von dort kommen. Das ermöglicht insbesondere nach dem Ende einer Vorstellung einen regen Austausch. Man kommt gerne ins Gespräch. Das wollen wir auch am Offenbachplatz fortsetzen, indem wir die Kantine für die Öffentlichkeit zugänglich machen. Da setzen wir bei der Oper auf deutlich mehr Offenheit, als das früher möglich war.