Buchtipp Die Kölner Familie Mühlens: Glück und Unglück mit dem Grandhotel

Köln · Wie ein großes Schloss thront das Grandhotel Petersberg hoch über dem Rhein und der Stadt Königswinter. Viele Geschichten ranken sich um das Haus und seine prominenten Gäste aus aller Welt. So zerschrammt der russische Staatschef Leonid Breschnew 1973 seinen nagelneuen Mercedes bei einer Probefahrt auf der Hotelzufahrt.

Das Steigenberger Grandhotel Petersberg, aufgenommen im Jahr 2020 aus der Luft mit einer Drohne.

Foto: Henning Kaiser/dpa/Henning Kaiser

Für seinen Staatsbesuch wurde das seit Jahren geschlossene Hotel für 630.000 D-Mark noch einmal auf Vordermann gebracht.

Zu den Staatsgästen gehörte auch Queen Elizabeth II., die bei ihrem Besuch im Jahr 1965 sechs Tonnen Tafelsilber vom Buckingham-Palace hoch auf den Petersberg schaffen ließ, wo sie ihre Gäste wie zu Hause bewirten wollte. Erster Staatsgast nach dem Krieg war 1954 Kaiser Haile Selassi aus Äthiopien. 1955 folgte der Schah von Persien.

Ferdinand I. Mühlens
kaufte 1911 den Petersberg

Doch das Grandhotel Petersberg erzählt vor allem die Geschichte der Kölner 4711-Dynastie Mühlens. Das weltweit gefragte Duftwasser hatte die Familie reich gemacht. Der Wintermühlenhof am Fuß des Petersbergs lag seinem Besitzer Ferdinand I. Mühlens sehr am Herzen. Er wollte seine Heimat im Siebengebirge mit dem Kauf von Grundstücken schützen und erhalten. Er selbst lebte zurückgezogen auf dem Hof, während sein Sohn Peter die Geschäfte bei 4711 in Köln führte.

Er war aber auch Unternehmer und erkannte, wie der Tourismus am romantisierten Rhein aufblühte und förderte die Entwicklung von Königswinter als Finanzier. Schon 1893 hatte er in Köln das Savoy-Hotel Großer Kurfürst neben dem Dom eröffnet (heute Blau-Gold-Haus). 1911 kaufte Mühlens das bestehende kleine Hotel der Kölner Familie Nelles auf dem Petersberg bei einer Zwangsversteigerung. Auf dem Berg wurde im 12. Jahrhundert das Kloster Heisterbach gegründet, das später ins Tal zog. Zugang zum Hotel bot damals eine Zahnradbahn, die auch Tagestouristen anlockte.

Nach dem Kauf erweiterte Mühlens das bestehende Hotel unter anderem mit Terrassen zum Rhein, einem größeren Restaurant und Kaffeegärten - alles auf dem höchsten Niveau der Zeit. Er wollte seinen Gästen vor allem Komfort bieten und das mit Rheinromantik für jedermann kombinieren. Doch der weitere Weg des Hotels sollte steinig werden. 1914 begann der Erste Weltkrieg und das Hotel schloss seine Pforten.

Es wurde 1919 wiedereröffnet, aber wegen der schwierigen Situation in der Besatzungszeit zwei Jahre später direkt wieder geschlossen. 1927 gelang das Comeback, ein paar gute Jahre folgten. 1928 starb Ferdinand I. Mühlens und sein Sohn Peter übernahm auch den Petersberg. Doch sein Lebensmittelpunkt blieb Köln und seine Residenz war Schloss Röttgen, vor Ort im Siebengebirge gab es einen Verwalter. 1929 setzte die Weltwirtschaftskrise dem Hotel zu. Mühlens investierte trotzdem zum Beispiel in Kaffeeterrassen und Tennisplätze. Auch das Kirchlein auf dem Petersberg wurde saniert. Mitte der 1930er bekam der Hoteleingang seinen Reliefkopf des hl. Petrus.

Begeistert vom Petersberg und dem Wintermühlenhof war Mühlens Tochter Luise, die sich auch nach 1945 für den Erhalt des Grandhotels der Familie einsetzte. Auf dem Petersberg selbst wurde 1938 mit den Verhandlungen zwischen dem englischen Premierminister Neville Chamberlain und dem deutschen Diktator Adolf Hitler erstmals Weltgeschichte geschrieben. Während des Zweiten Weltkriegs blieb das Hotel wieder einmal geschlossen. Nach dem Krieg nutzte zunächst das amerikanische, das britische und das belgische Militär den Gebäudekomplex. Danach bezogen die drei Hohen Kommissare ab 1949 das Hotel als ihre Residenz.

Die Familie Mühlens hatte in dieser Zeit keinen Zugriff auf ihr Eigentum. Peter Mühlens war inzwischen gestorben und seine beiden Töchter Maria und Luise sowie die Nachfahren der ebenfalls verstorbenen Söhne erbten das Hotel. Zu entscheidenden Figur wurde aber Mühlens Witwe Maria Walburga, die ihren achtjährigen Enkel Ferdinand III. vertrat. Sie übernahm resolut die Führung der Familie und legte so die Basis für einen Erbstreit, der bis in die späten 80er Jahre anhalten sollte.

Dabei war es Luise, die stets die Tradition und ihre Heimat auf dem Petersberg verteidigte. Dabei musste sie auch für ihren Man Gustav Streve und dessen unglückliches Agieren als Unternehmer einstehen. Für ihre Familie wurde der Wintermühlenhof zur Heimat und das Grandhotel im Gegensatz zur restlichen Familie zur Herzensangelegenheit. Von der 4711-Unternehmensführung hatte man sie komplett ausgeschlossen und sie nur als stille Teilhaberin geduldet.

Nach dem Abzug der Kommissare war das Gebäudeensemble ein Sanierungsfall und musste aufwendig im ganz eigenen Stil der Zeit renoviert werden. 1954 nahm das Hotel seinen Betrieb wieder auf. Geführt wurde es vom Hotelier Georg Linsenmeyer, dessen Familie in Düsseldorf den Breitenbacher Hof betrieb. Der gehobene Hotelbetrieb entsprach dem Geist der frühen Adenauer-Ära und zog Tagestouristen genauso an wie die lokale High Society. Für beiden war der Ort auch eine Flucht aus dem Alltag. Und so manch berühmter Gast folgte.

Allerdings dauerte die Blütezeit nicht allzu lange, denn schon bald sorgte das Wirtschaftswunder dafür, dass Urlauber dem europäischen Süden den Vorzug vor der Rheinromantik gaben. Dazu kam in Bonn Konkurrenz im Luxussegment hinzu. Und die Investition in das Hotel stiegen gleichzeitig von Jahr zu Jahr - ein Grund für weiteren Streit in der Besitzerfamilien.

Maria und ihr Mann Rudi Mehl zelebrierten lieber aufwendig ihr Kölner 4711-Imperium und ihr luxuriöses Leben auf Schloss Röttgen. Nur Luise ließ nicht locker beim Erhalt des Grandhotels. Ab den 1960er Jahren stand der Verkauf im Raum und es gab verschiedene Interessenten. 1968 war für das Hotel Schluss und fünf Hausmeister übernahmen dort die Regie. Anfang der 70er fanden die ersten Gespräche mit der Bundesregierung über ein mögliches Bundesgästehaus statt. 1973 gab es mit dem hochrangigen Besuch aus der Sowjetunion einen ersten Probelauf und auch die neue Hoffnung das Hotel doch noch zu retten.

Doch die Hoffnungen zerschlugen sich schnell und die Behandlungen mit dem Bund kamen erst spät zu einem Ende. 1979 wurde das Gebäudeensemble schließlich verkauft. Der Petersberg wurde abgewickelt und das Inventar in Anwesenheit von Stars wie Curd Jürgens versteigert. Bei der Auktion sicherte sich Luise Mühlens einige wichtige Erinnerungsstücke. Es war ihr letzter Besuch auf dem Petersberg. Schon die Verkaufsverhandlungen waren für sie traumatisch gewesen.

Was folgte, war ein Schock für ihre Familie und die Menschen nicht nur im Siebengebirge. Entgegen allen Verlautbarungen wurde das alte Hotel 1985 weitgehend abgerissen und nach dem alten Vorbild fast komplett neu gebaut. Nur wenig wie der alte Kamin oder der Petruskopf erinnern heute noch an die alten Zeiten - ein echter Bauskandal in der Bundesrepublik.

1990 wurde das Hotel mit dem Bundesgästehaus eröffnet. Bill Clinton war dort ebenso zu Gast wie Michael Gorbatschow, Boris Jelzin und auch wieder die Queen. Wichtige internationale politische Konferenzen hatten ihren Platz auf dem Petersberg. Heute hat das Steigenberger Grandhotel Peters seinen Platz auf dem geschichtsträchtigen Ort im Siebengebirge gefunden.

Das Kölner Unternehmen 4711 feierte mit seinem Stammhaus in der Glockengasse und der Produktion in Ehrenfeld 1992 noch das 200-jährige Bestehen, wurde dann aber schon zwei Jahre später von der Firma Wella übernommen, weitere Besitzerwechsel folgen. Ferdinand III. Mühlens starb 2021, seine Tante Luise bereits 1990.

Das im Greven-Verlag erschienene Buch von Helge Matthiesen nimmt seine Leser mit auf eine spannende Zeitreise in die Geschichte des Petersbergs und in die Familiengeschichte der Mühlens.

Helge Matthiesen: Grandhotel Petersberg - vom Glück und Unglück der 4711-Familie Mühlens, Greven-Verlag, 104 Seiten, 16 Euro