„Die Nord-Süd-Bahn ist ein Quantensprung für Köln“

KVB-Chef Jürgen Fenske und der Architekt Professor Ulrich Coersmeier im Gespräch über aktuelle und künftige Projekte im Nahverkehr.

Foto: KVB/Christoph Seelbach

Köln. Herr Fenske, wie ist der aktuelle Stand bei der Nord-Süd-Bahn?

Jürgen Fenske: Bei diesem Großprojekt haben wir inzwischen viel Anerkennung von außen bekommen, das gilt insbesondere für die Gestaltung der unterirdischen Haltestellen. Manche fragen gerade beim Heumarkt, warum dieser U-Bahnhof derart groß sein musste. Die Antwort lautet, er ist mindestens für die nächsten 100 Jahre gebaut und beinhaltet auch eine mögliche Kreuzung mit einer unterirdischen Ost-West-Bahn auf der mittleren Ebene. Bei solchen Bauwerken muss man auch das Sicherheitsgefühl einer durch den demografischen Wandel immer älter werdenden Gesellschaft berücksichtigen. Und natürlich geht es auch darum, dass sich unsere Fahrgäste dort wohlfühlen. Das ist bei manchen älteren U-Bahnhöfen nicht immer der Fall. Der Heumarkt wird dagegen dieser Verantwortung gerecht und das gilt auch für die anderen neuen Haltepunkte, die alle Unikate sind.

Wie wichtig war und ist die Nord-Süd-Bahn für Köln?

Fenske: Sie bedeutet im Kölner Süden einen wichtigen Lückenschluss, bislang gab es dort nur einen störungsanfälligen Busbetrieb, das wird sich ab Dezember ändern, wenn wir den Südteil zwischen Rodenkirchen und der Severinstraße in Betrieb nehmen. 2011 war dies beim Nordteil der Fall und jetzt kommt der Süden mit einem deutlich längeren Teilstück hinzu. Wenn dann noch der Bereich der Einsturzstelle am Waidmarkt befahren werden kann, bedeutet dies einen Quantensprung für Köln. Das nördliche Teilstück wird sehr gut angenommen. Außerdem ist der zweite innerstädtische Tunnel extrem wichtig, wenn es zwischen dem Hauptbahnhof und dem Barbarossaplatz zu Störungen kommt. Das schafft der Tunnel der Nord-Süd-Bahn eine große Entlastung.

Sie sprachen gerade von der Ost-West-Bahn. Wie wird dieses Projekt genau aussehen?

Fenske: Noch ist das alles Zukunftsmusik, es gibt noch keine Beschlüsse und auch noch keine gefestigte Planung. Derzeit wird gerade eine Machbarkeitsstudie für dieses Projekt erstellt. Aber sicher ist, dass eine wachsende Stadt wie Köln beim ÖPNV reagieren muss, um zukunftsfähig zu sein. Bei der Ost-West-Bahn geht es um die Strecke zwischen Bergisch Gladbach im Osten, der City und Weiden im Westen. Eine Strecke, an der zwei Universitäten liegen und bei der die Auslastung sehr hoch ist.

Jürgen Fenske

Wie ist dort eine Entlastung möglich?

Fenske: Es gibt zwei Varianten. Man kann Züge mit drei Wagen einsetzen. Bei den unterirdischen Haltestellen ist das bereits eingeplant, die oberirdischen müssten entsprechend umgebaut werden. Eine andere Überlegung ist es, die Bahnen nach der Deutzer Brücke unterirdisch bis zum Neumarkt zu führen.

Ulrich Coersmeier: Der U-Bahnhof Heumarkt hat bereits die Ebene für diese Bahn. Beim Neumarkt geht es darum, ob die Bahn davor wieder auftaucht und die oberirdische Haltestelle bleibt oder ob es auch hier einen unterirdischen Haltepunkt geben wird. Hier spielen finanzielle und städtebauliche Aspekte eine wichtige Rolle.

Dann könnte die Insellage des Neumarkts aufgehoben werden — etwas, das Städteplaner schon seit langem fordern.

Coersmeier: Das wäre für Köln eine wichtige Entwicklung, denn bislang ist der Neumarkt als Insel ein Nichtplatz. Auch beim Heumarkt wäre der Anschluss des hinteren Platzteils an der Malzmühle und der Handwerkskammer sehr wichtig und städtebaulich eine große Chance.

Wie sieht der Zeitplan für dieses Projekt aus?

Fenske: Wir rechnen frühestens 2016/17 mit einem Ratsbeschluss. Am Heumarkt wäre der Umbau unproblematisch, da müsste nur die Wolke mit der Ladenzeile weichen und die Treppenanlage verlegt werden. Alles andere ist in dieser Haltestelle bereits vorhanden.

Wie sieht die Zukunft des Nahverkehrs in Köln aus?

Fenske: Die Zeichen stehen in der Stadt klar auf Wachstum und wir blicken derzeit auf Städte wie Kopenhagen, Wien oder Zürich, die eine ähnliche Entwicklung haben. Eine vom OB ins Leben gerufene Arbeitsgruppe „Köln mobil 2025“ hat ein Leitbild entworfen, das eine Drittel-Aufteilung zwischen ÖPNV, Rad- und Fußverkehr sowie dem Individualverkehr mit dem Auto vorsieht. Dabei geht es sowohl um den Klimaschutz als auch um die Lebensqualität in der Stadt. Da steht die Ost-West-Bahn bei den Prioritäten ganz oben. Dazu kommen Verlängerungen und Erweiterungen von Stadtbahnlinien wie in Richtung Neubrück und Flittard im rechtsrheinischen Köln und die Verlängerung am Klettenberggürtel bis zur Bonner Straße.

Was passiert derzeit noch bei der KVB?

Fenske: Mitte Mai gehen wir mit unserem eigenen Leihradsystem an den Start. Es ist ein Hybridsystem, das sowohl Räder an Standorten in der Stadt als auch feste Radstationen wie in Mülheim, bei uns in Braunsfeld oder an der Uni vorsieht.

Wo steht Köln beim ÖPNV im Vergleich mit anderen Großstädten?

Fenske: Bei der Qualität unseres Angebots brauchen wir uns vor anderen Großstädten wie Hamburg, München oder Stuttgart nicht so verstecken, da sind wir auf Augenhöhe. Im Bereich der Sauberkeit, Sicherheit und bei der Servicequalität sind wir in einem aktuellen Vergleich sogar der Klassenprimus. Aber es ist wichtig, auch weiter am Ball zu bleiben, gerade wenn man sieht, dass das eigene Auto bei der jüngeren Generation eine immer geringere Rolle spielt. Wir waren in vielen Dingen wie der Vorrangschaltung für Bus und Bahn oder der Parkraumbewirtschaftung Vorreiter, da müssen wir jetzt dranbleiben.