Kultur Eine Klangskulptur aus Spieluhren
Köln · „Musik oder Nichts“ ist das Motto der 13. Ausgabe des Kölner Festivals „Acht Brücken“, das vom 28. April bis zum 7. Mai stattfindet. In diesem Jahr geht es um das große Nichts, im Kontext der Musik gesprochen um die Stille.
Eine Spezialistin für dieses Thema ist die britische Komponistin Rebecca Saunders, die mit ihrer Arbeit in die Stille vordringen und aus ihr schöpfen möchte. Ihre Inspiration findet die diesjährige Porträtkomponistin des Festivals beim irischen Schriftsteller Samuel Beckett.
„1997 haben Freunde mir einen Roman von Beckett geschenkt. Seitdem bin ich besessen von seinen späten Werken. Diese skelettartig, fragile Sprache mit ihren präzisen Perlen von Worten sagt das Gleiche aus vielen Perspektiven und bohrt sich so langsam in ein Thema hinein. Es geht um die Themen des Wartens und um die stillen Fragen, nach dem, was dazwischen liegt. Die Stille ist für mich voller Potenzial, das unter der Oberfläche liegt, die ich mit meinen Kompositionen aufreiße, um so der Stille eine Präsenz zu geben“, erklärt Saunders.
Zwei Uraufführungen
von Rebecca Saunders
Während der zehn Festivaltage will „Acht Brücken“ durch das Porträt Saunders Universum vorstellen, um dem Publikum eine Ahnung zu geben, wie sie mit der Materie umgeht, dass eine Note auch Stille auslösen kann. Insgesamt sieben ihrer Werke werden beim Festival erklingen, darunter zwei Uraufführungen.
Eine ist davon die dritte Version ihrer 2017 begonnenen Konzertinstallation „Myriad“ mit 2464 Spieluhren. „Myriad III“ wird am 28. April vom Ensemble Mosaik in der Kunst-Station Sankt Peter uraufgeführt. Dort lädt die Installation mit den Spieluhren im Kirchenraum während der gesamten Festivalzeit das Publikum zum Mitwirken ein. Eine weitere Uraufführung gibt es am 1. Mai, im Rahmen des Freihafens, in der Philharmonie mit dem Ensemble Modern. Mit dem neuen Werk wird Saunders ihr Triptychon mit den bereits bestehenden Teilen „Scar“ und „Skin“ vervollständigen.
„Die Kunst-Station mit dem wunderbar renovierten Kirchenraum ist ein großartiger Ort für meine musikalische Collage. Die Spieldosen wirken wie eine weiße Wand aus Plexiglas. Sie ist so enorm wie auch anonym. Gleichzeitig wecken die Spieldosen in jedem Menschen intim, melancholische Erinnerungen an seine Kindheit. Dieser Widerspruch ist für mich spannend. Das erste Mal kam diese Installation bei einer Architekturbiennale in China zum Einsatz.“
An der Komposition von „Myriad III“ arbeitet Saunders gerade noch. „Ich suche da noch nach Lösungen. Den Schlusspunkt eines solchen dreiteiligen Werkes zu finden, ist eine formale Herausforderung für mich. Es geht hier auch um Antworten auf die ersten beiden Stücke. Daher gibt es auch noch keinen Titel“, sagt die Komponistin.
Ihre Raumperformance „Yes“ wird mit dem Ensemble Musikfabrik am 6. Mai in den Sartory-Sälen zu hören sein. „Ich habe in dem Saal schon Konzerte erlebt. Die Akustik ist dort auch wegen der Holzwände sehr gut. Das ist ein Raum, der zur Köln gehört und der ein Teil der Identität dieser Stadt ist. Es ist reizvoll für mich, mich mit diesem Raum auseinanderzusetzen.“
Ebenfalls während des Freihafens, gibt es, traditionell bei freiem Eintritt, im Baptisterium und im WDR-Funkhaus am Wallrafplatz einen ganzen Reigen von Uraufführungen zu hören. Fünf Komponisten haben 15 Kompositionen verfasst. In loser Anlehnung an Luciano Berios Werkzyklus „Sequenze“ heißt die Konzertreihe am 1. Mai „KonSequenzen“. Gefördert wurden diese Kompositionsaufträge für das Festival durch Privatpersonen, die je eines der neuen Werke finanziell unterstützen. Jedes Werk wurde für je ein Instrument komponiert.
Eine weitere Uraufführung stammt von der italienischen Komponistin Lucia Ronchetti. Die Basis dafür sind die radikalen und erneuernden Notizen des italienischen Philosophen Giacomo Leopardi über Philosophisches und Literarisches. Die Komponistin hat daraus Texte zum Thema männliche Einsamkeit als Basis für ihr Werk genommen und konterkariert das Sujet durch die Besetzung: Die Choroper wurde mit ihren 100 Mitwirkenden rein männlich besetzt. Sie wird am 30. April unter Mitwirkung des Knabenchors des Kölner Doms, des Chors des Bach-Vereins und des Kölner Männer-Gesangsvereins in der Philharmonie auf die Bühne gebracht.
Eröffnet wird das Festival mit „Musik der Zeit: Wolkentagebuch“, mit dem WDR-Sinfonieorchester unter der Leitung von Christian Mărcelaru und dem WDR-Rundfunkchor in der Philharmonie. Am Abschlusstag bringt das Gürzenich-Orchester unter der Leitung von Generalmusikdirektor François-Xavier Roth das Werk „Evil Elves: Level Eleven“ von Bernhard Gander in der Philharmonie zur Uraufführung.
Konstanten des Festivals sind der Kompositionswettbewerb und die Lounge, die abends im Zelt vor dem Rheingartenfoyer ihren Platz haben wird. Neu ist die Öffnung des Rheingartenfoyers täglich ab 12 Uhr als Ort der Begegnung. Ihr Debüt bei „Acht Brücken“ geben junge Ensembles wie das mdi Ensemble aus Mailland, das S201 aus Essen und die Basel Sinfonietta.
Service: Der Vorverkauf für das Festival startet ab sofort. Neben den Einzeltickets gibt es für 119 (ermäßigt 59) Euro auch den Festivalpass für bis zu 21 Konzerte sowie erstmals auch verschiedene Festivalpakete. Weitere Informationen zu den Tickets und zum gesamten Programm von „Acht Brücken“ finden sich online unter: