Kultur Fotografen blicken auf ihre Stadt
Köln · Seit die ersten „Lichtbildner“ in Köln ihre Ateliers eröffneten, begleiten sie mit ihrem spezifischen Blick den fortwährenden Wandel der Stadt zur modernen Metropole. Bekannte Namen wie Theodor Creifelds, Werner Mantz, August Kreyenkamp, August Sander sowie Hugo und Karl Hugo Schmölz haben die Geschichte der Fotografie in der Domstadt ganz maßgeblich begleitet und gestaltet.
In einem neuen, vom Rheinischen Bildarchiv herausgegebenen Band werden die faszinierenden Werke der Kölner Fotografen und einer Fotografin, die auf Glasplatten ihre Stadt zwischen den Jahren 1875 und 1960 porträtierten, versammelt und von Experten mit Hintergrundinformationen angereichert. Sie zeigen die Umwälzungen der Gründerzeit, den Einzug der Moderne und den herben Einschnitt, den der Zweite Weltkrieg für Köln bedeutete.
Die Technik brachte den Boom
der Fotografie auch nach Köln
Veranschaulicht werden auch die rasante technische Entwicklung des Mediums Fotografie und die Auswirkungen der Fototechnik auf die Motivfindung der Fotografen. Ihre Anfänge hatte die Fotografie in Köln in den Ateliers mit der Daguerreotypie, eine frühe Technik, um Bilder zu erstellen. Die ersten Aufnahmen waren noch Unikate, die nicht beliebig reproduziert werden konnten.
Das änderte sich, als auf Glasplatten als Bildträger das Kollodiumverfahren entwickelt wurde. Dadurch verringerte sich auch die Belichtungsdauer auf wenige Sekunden. Aus Berlin und Paris kommend erreichte die neue Technik schnell auch Köln. Dort erlebte die Atelierfotografie einen regelrechten Boom. Um draußen auf den Straßen Aufnahmen zu erstellen, war das Verfahren noch recht kompliziert, mussten doch vor Ort die Negativplatten mit einer lichtempfindlichen Flüssigkeit übergossen werden, nass in einer Großbildkamera belichtet und umgehend in einer mobilen Dunkelkammer verarbeitet werden.
Das änderte sich, als 1878 das trockene Gelantineverfahren mit vorbereiteten Negativplatten aus Glas aufkamen. Nun eroberten die Kölner Fotografen der Stadt und konnten so auch die Baufortschritte am Dom festhalten. Zu den ersten bekannten Fotografen im Schatten der Kathedrale gehörten Theodor Creifelds und Anselm Schmitz. Beide wurden mit den Fotografien der Domfeierlichkeiten beauftragt und erstellten für die Stadt auch wichtige Museumsreproduktionen. Dabei entwickelte sich die Fotografie zunehmend selbst zu einem künstlerischen Medium, auch weil sie der Malerei überlegen schien.
Wichtig war die Fotografie vor allem, weil sie in Köln immer wieder Dinge festhielt, die aus dem Stadtbild unwiederbringlich verschwunden sind. Zu den zentralen Motiven zählte der Dom. Das gilt für seine Vollendung genauso wie für seine alte Umgebung wie den Domhof. Festgehalten wurden von Fotografen wie Anselm Schmitz auch andere Kölner Monumente wie zum Beispiel das Ehrentor oder die Schiffs- und die Dombrücke, die der Entwicklung Kölns zur modernen Stadt weichen mussten.
Eindrucksvoll ist der Blick des Fotografen Emil Hermann in die mit Kunstwerken gut gefüllte Wohnung des Sammlers Alexander Schnütgen oder in den Pallenberg-Saal des Kunstgewerbemuseums, wo die Schnütgen-Sammlung in einem Anbau gezeigt wurde. Zu sehen sind auf den frühen Aufnahmen des Fotoateliers Geus auch Szenen aus dem Kölner Stadtleben um 1900.
Auch Straßenszenen und Ereignisse wurden fotografiert
Die Fotografie wurde inzwischen von der Tagespresse als Medium verstärkt genutzt – so beim Einsturz der Südbrücke während der Bauarbeiten im Jahr 1908. Dazu kamen ab 1907 die ersten kolorierten Fotoaufnahmen von Heinrich Ewertz. Festgehalten wurde um 1900 zudem der große Umbau Kölns. So wurden die Ringstraßen fertiggestellt und die Bebauung der Neustadt abgeschlossen. Das zeigt sich zum Beispiel in den Bildern von Wohn- und Geschäftshäusern durch den Fotografen Fritz Zapp.
Vor dem Ersten Weltkrieg erreichte die Urbanisierung Kölns ihren Höhepunkt – eine moderne City entstand im Herzen der Stadt. Alte Gebäude mussten weichen, dafür entstanden prächtige Neubauten. Fotografen hielten sowohl das Alte als auch das Neue in ihren Aufnahmen wie zum Beispiel in der Altstadt fest.
Wer denkt, das Selfie sei ausschließlich ein Thema des 21. Jahrhunderts, könnte sich täuschen. Auch schon vor mehr als 100 Jahren entstanden Selbstporträts vor meist prächtiger Kulisse. Möglich war dies durch die „Autophotographen“ - drahtgebundene Fernauslöser, die den Verschluss des Objektivs mit Verzögerung steuerten. Einblicke gibt hier der Fotonachlass von Ernst Altmann.
Als aus der gründerzeitlichen Metropole eine Stadt der Moderne wurde, kam der Fotografie eine neue Rolle in den Massenmedien zu. Sie ersetzte Zeichnungen in Zeitungen, Büchern und Broschüren. Gezeigt wurden Bilder aus dem täglichen Leben genauso wie von aktuellen Ereignissen in der Stadt. Das verdeutlichen beispielsweise die Aufnahmen von August Kreyenkamps vom neuen Kaufhaus Tietz an der Hohen Straße oder vom Rosenmontagszug 1914.
Das alte und das neue Köln wurde vom Architekturfotografen Werner Mantz festgehalten. Er zeigt die Gasthäuser der Altstadt genauso wie die neuen Sünnerterrassen am Rhein oder das Café Wien am Ring. „Köln wie es war“ erlebt man beim wohl bekanntesten Kölner Fotografen, August Sander. Dazu zählen Aufnahmen von der Alten Oper am Rudolfplatz genauso wie von der alten Hohenzollernbrücke mit dem burgenartigen Kopfbau. Bei Hugo Schmölz finden sich dagegen viele Bauten aus der Zeit Konrad Adenauers als Kölner Oberbürgermeister wie das Disch-Haus oder die Rheinhallen der Messe.
Der Band schließt mit bedrückenden Aufnahmen der Zerstörung Kölns im Zweiten Weltkrieg und den Hoffnung spendenden Bildern vom Wiederaufbau. Diesen hat Margarita Neiteler im Dom im Blick. Karl Hugo Schmölz zeigt dagegen den massiv zerstörten Rathausturm und den in Trümmern liegenden Neumarkt sowie eine Prozession durch die Trümmerberge, in der die Schreine in den wiederhergestellten Dom zurückgeführt werden. Dazu kommen Aufnahmen von der Rückkehr zur Normalität in den 50er Jahren – inklusive der noch bestehenden Baulücken.
Katja Hoffmann: Fotografen sehen Köln – Glasnegative 1875-1960 aus dem Rheinischen Bildarchiv, Emons-Verlag, 320 Seiten, 55 Euro