Wie erleben Sie gerade Köln in der Krise?
Corona-Krise „Im Moment gibt es in der Stadt einen Wiederaufbruch“
Köln · Gregor Timmer ist der Leiter der Sportamtes. Im Interview spricht er über die Rückkehr zur Normalität im Sport, über die Folgen für die Sportvereine, digitale Sportangebote und Großveranstaltungen.
Gregor Timmer: Im Moment gibt es in der Stadt einen Wiederaufbruch, da die Corona-Regelungen gelockert werden. Auch der Sportbetrieb läuft wieder an. Zunächst war das nur im Freiluftbereich der Fall, inzwischen sind auch wieder einige Hallen geöffnet. Diese werden Schritt für Schritt wieder zur Verfügung gestellt werden. Der nächste Schritt ist dann der 30. Mai, wenn auch Kontaktsportarten wieder freigegeben werden und der Trainingsbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Dann wären wir beim Sport, abgesehen vom Veranstaltungsbereich, wieder auf dem Level vor der Krise. Gesetzt den Fall, alles entwickelt sich positiv weiter.
Was sind für Sie als Leiter des Kölner Sportamtes die größten Herausforderungen?
Timmer: Wir haben einen totalen Shutdown im Sport erlebt. Alle Sportanlagen waren geschlossen und es gab kein Sportangebot mehr in der Stadt. Wir haben deshalb mit Sport@Home ein digitales Sportprogramm mit prominenten Gästen und einem täglichen Workout für zu Hause eingerichtet. Das wurde sehr gut angenommen. Eine weitere Herausforderung war, dass viele Sportvereine durch die Krise in Not geraten sind. Sie mussten laufende Kosten wie Gehälter oder Mieten weiter bezahlen und hatten keine Einnahmen mehr. Dafür gibt es von der Stadt einen Nothilfetopf für Sportvereine, die nachweisen können, dass sie finanziell in eine bedrohliche Lage geraten. Die dritte Herausforderung ergab sich im Bereich der Großveranstaltungen wie dem EHF Final 4 im Handball oder dem DFB-Pokalfinale der Frauen, die abgesagt bzw. verschoben werden mussten. Da war die Unsicherheit und der Abstimmungsbedarf sehr groß – gerade weil man überlegen musste, wann etwas nachgeholt werden kann.
Wie verändert sich jetzt das Erlebnis Sport?
Timmer: Das wird zunächst eine fremde Welt sein, die wenig mit dem zu tun hat, was man von einer Sportveranstaltung normalerweise erwartet. Aber Geisterspiele im Fußball sind ein notwendiger Schritt, um lebensfähige Ligen garantieren zu können. Durch das Veranstaltungsverbot sind in der Sportwelt massive Schäden entstanden. Das ist jetzt eine Situation, mit der wir in den kommenden Monaten leben müssen.
Wie verändert sich die Sportstadt Köln durch die Krise?
Timmer: Die nächsten Wochen werden zeigen, wie groß die Schäden sind und wie wir diese überbrücken können, um im kommenden Jahr wieder neu zu starten. Das hängt auch von der Corona-Situation und der Frage ab, ob wir bei den Infektionszahlen einen Rückfall erleben oder nicht.
Wie sieht die Situation bei den Sportvereinen aus?
Timmer: Auf der einen Seite ist die Freude groß, dass es wieder losgeht und dass man wieder raus kann. Auf der anderen Seite ist die Verunsicherung noch sehr groß, wie die Vielzahl der Anrufe von Vereinen bei uns im Sportamt zeigt. Da geht es vor allem darum, wie die Hygiene- und Abstandsregeln praktisch umgesetzt werden können.
Und wie passiert das?
Timmer: Gerade beim nicht kontaktlosen Sport ist das aktuell noch eine Herausforderung, da man da kreative Lösungen finden muss, um sicher trainieren zu können. Wichtig sind auch Grunddesinfektionsmaßnahmen wie die Händedesinfektion oder die Desinfektion von Sportgeräten. Da ist jetzt viel Eigenverantwortung und Kreativität gefragt. Wir haben 160 Sportarten und jede muss jetzt ihren eigenen Weg finden. Zum Glück kommt von den einzelnen Verbänden auch Unterstützung durch gute Hinweise zum sicheren Trainingsbetrieb.
Der Profifußball ist zurück, da hängt jetzt viel vom Verhalten der Fans ab.
Timmer: Da gibt es auf der einen Seite die Ultras, die Geisterspiele komplett ablehnen und sich nicht dafür interessieren. Andere Fangruppen wollen sich am Stadion treffen, da sind dann die Ordnungsdienste und die Polizei gefragt. Was Treffen im privaten Bereich angeht, gibt es die entsprechenden Coronaregeln, die auch hier einzuhalten sind.
Wie sieht es beim Breitensport in der Krise aus?
Timmer: Da gibt es zwei Trends. Man sucht in der Krise Sport als Ausgleich zum Homeoffice und zum zu Hause Eingeschlossensein. Da sind jetzt mehr Leute unterwegs, um individuell Sport zu machen. Das wird wohl auch nach der Krise anhalten. Dazu wird es vom Stadtsportbund passende Angebote wie „Kölle aktiv“ geben. Was sich auch verstärkt hat, sind digitale Sportprogramme, die Menschen beim individuellen Sport unterstützen. Das reicht vom Online-Workout über Anleitungen zum gesunden Ausüben von Sportarten bis zum Lauftraining mit Zeitmessung. Das bietet wir jetzt am Fühlinger See an.
Werden Kinder und Jugendliche durch den Wegfall des Sportunterrichts jetzt unsportlicher?
Timmer: Es gibt die Befürchtung, dass Kinder und Jugendliche unsportlicher werden, wenn der wöchentliche Sportunterricht ausfällt, wie das immer noch der Fall ist. Anderseits gibt es auch viele Familien, die mit ihren Kindern rausgehen und Sport machen. Ich sehe das gerade bei uns auf den Vorwiesen am Stadion. Allerdings ist es wichtig, dass es so bald wie möglich wieder einen geregelten Sportunterricht an den Schulen gibt.
Was macht Ihnen derzeit Hoffnung und was macht Ihnen Sorgen?
Timmer: Sorgen macht mir, dass die Lockerungen jetzt von den Menschen falsch verstanden werden und dass diese so unvorsichtiger werden. Das wäre eine fatale Entwicklung. Jetzt ist bei jedem ein hohes Maß an Eigenverantwortung und Eigendisziplin gefragt. Nur so können wir wieder eine wirklich stabile Situation auch im Sport erreichen. Hoffnung machen mir die vielen kreativen Ideen, wie man den Sport sicher ausüben kann.
Wie hat sich Ihr beruflicher Alltag verändert?
Timmer: Der Großteil unserer Mitarbeiter ist derzeit im Homeoffice. Ich bin als Dienststellenleiter mit einigen wenigen Kollegen noch vor Ort. Es nicht immer einfach, den Kontakt zu den Mitarbeitern zu halten, aber es funktioniert trotzdem ganz gut. Das ist für mich eine wichtige Erfahrung der vergangenen Wochen.