Bühne Philharmonie wird zum Kit Kat Club
Köln · Das Jahr 1928 läuft auf sein großes Finale am Jahresende zu: Mit dem Zug reist der US-Schriftsteller Clifford Bradshaw von Paris ins pulsierende Berlin, um dort endlich seinen ersten Roman zu schreiben.
Bei der Fahrt lernt er den Berliner Ernst Ludwig kennen, der ihm nicht nur ein günstiges Pensionszimmer bei Fräulein Schneider vermittelt, sondern der ihn auch direkt zur Silvesterfeier in den verruchten Kit Kat Club einlädt. Außerdem stellt er ihm lukrative Aufträge in Aussicht.
Im Club wollen die Menschen für einen Abend alles vergessen, was sie bedrückt - von der Wirtschaftskrise bis zum Aufkommen des NS-Terrors. Star ist dort die junge Sängerin Sally Bowles, die von ihrer großen Karriere träumt und die es gewohnt ist, ihre Geliebten wochenweise neu zu sortierten. Zwischen den beiden Fremden in Berlin keimen direkt große Gefühle auf. Doch beide plagen stetige Existenzsorgen und auch ihre Lebensentwürfe scheinen auf die lange Sicht nur schwer miteinander vereinbar.
Sorgen hat auch Fräulein Schneider, die einsam ihre kleine Pension führt und die dort auch Gäste dulden muss, die ihr Leben wie Fräulein Kost mit den allabendlichen Besuchen fremder Matrosen finanzieren. Hoffnung gibt ihr der neue Gast - ein echter Schriftsteller aus den Staaten, der sie an die alten großen Zeiten erinnert, die ihr Haus früher einmal erlebt hat.
Licht ins Dunkle bringt auch ihr liebenswürdiger Nachbar Herr Schulz vom Nollendorfplatz, der dort eine kleine Obst- und Gemüsehandlung betreibt. Schon lange hegt er Gefühle für die einsame Pensionswirtin, die er regelmäßig besucht und mit exotischen Früchten umwirbt. Als sie endlich seine Gefühle erwidert und die beiden sich verloben, kommt ihnen die aktuelle politische Situation in die Quere - Herr Schulz ist Jude und Fräulein Schneider droht bei einer Heirat ihre Existenz zu verlieren.
Das Musical „Cabaret“ startete in den 60er Jahren vom New Yorker Broadway aus seinen Siegeszug rund um den Globus. Die Verfilmung durch Bob Fosse brachte acht Oscars und machte Liza Minnelli in der Rolle von Sally Bowles zum Weltstar. In die Kölner Philharmonie kommt das Stück erstmals in der gefeierten Inszenierung des Hamburger St. Pauli Theaters unter der Regie von Ulrich Waller und Dania Hohmann.
Durch den Abend im schillernd-verruchten Kit Kat Club führt der Chansonnier Tim Fischer, der als Conférencier seine Paraderolle übernommen hat. Dieser hat sich mit der vergnügungssüchtigen Welt des Nachtclubs arrangiert und steht über beziehungsweise zwischen all den Tragödien, die sich um ihn herum abspielen. Besonders zum Ausdruck kommt dies in dem nachdenklich, leisen Lied „Nichts berührt mich“ - einer der besonderen Momente bei der umjubelten Premiere am Dienstagabend. Nicht fehlen dürfen natürlich die großen Hits des Musicals wie „Life is a Cabaret”, „Mein Herr” oder „Money Money”.
Der Schwerpunkt in der Hamburger Inszenierung wird, anders als im berühmten Film, auf die Liebe zwischen Fräulein Schneider und Herrn Schulz gelegt, grandios verkörpert von Angela Winkler und Peter Franke. Es sind die besonders berührenden Momente, wenn beide die Ananas als Liebesbeweis besingen und Fräulein Schneider sich am Ende verzweifelt fragt „Wie geht’s weiter”?. Für sie bleibt in ihrer schon bald von der NS-Diktatur bestimmten Welt nur die triste Einsamkeit, während Herr Schulz als Jude aus Deutschland fliehen muss.
Auch der US-Schriftsteller Cliff erkennt, dass für ihn unter den Nazis kein Platz mehr ist. Sein anfänglicher Freund Ernst Ludwig erweist sich als übler Nazischerge, der den Gast dazu missbrauchen will, die NSDAP mit Botengängen zu unterstützen. Nur Sally und der Conférencier bleiben im Club zurück und versuchen, dort doch noch ihr kleines Glück zu finden. In der Rolle der Sängerin glänzt in Köln Anneke Schwabe, die ebenso wie Tim Fischer ihr Publikum am Rhein begeistert und berührt.
Service: Live zu sehen gibt es das Musical „Cabaret“ als grandioses Finale des diesjährigen Sommerfestivals noch bis zum kommenden Sonntag, 4. August, in der Kölner Philharmonie, Bischofsgartenstraße 1. Vorstellungen: Do-Sa 20 Uhr, Sa auch 15 Uhr, So 14 und 19 Uhr. Karten gibt es ab 69,90 Euro unter: