Kultur Der lange Weg bis zur Literaturstadt

Köln · Die Anfänge der Kölner Literaturgeschichte liegen dank der schwierigen Quellenlage im Dunkeln. Die ersten überlieferten Zeugnisse literarischer Aktivitäten sind Lobgedichte, „die zwei Kölner Bischofsgestalten verherrlichen“ - allen voran das Annolied aus der Zeit um 1080. Erzbischof Anno II. war eine der zentralen Figuren der frühmittelalterlichen Kirchengeschichte am Rhein.

Die Kölner Schriftsteller Heinrich Böll (oben, l.), Hilde Domin (oben, r.), Navid Kermani (u, l.), Frank Schätzing (Mitte) und Elke Heidenreich.

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Auch der Archipoeta hat mit Rainald von Dassel einen Erzbischof als Mäzen. Dass schon weit früher Literatur in der Stadt eine Rolle spielte, bezeugt der archäologische Fund einer römischen Bibliothek im Antoniterquartier. Die ersten Kölner Orte, an denen Literatur entstanden ist, waren die Klöster in der mittelalterlichen Stadt. Schon früh war Köln zudem das Zentrum der Stadtchroniken.

Auch wenn die katholische Kirche im Mittelalter die Entstehung von Literatur förderte, war sie in den folgenden Jahrhunderten eher ein Hemmschuh für die literarische Entwicklung der Stadt am Rhein. Gründe dafür liegen auch darin, dass sich die Reichsstadt im 16. Jahrhundert nicht der Reformation öffnete. So fehlte der “intellektuelle Input”, was zu einer “kaum zu beschönigenden Dürftigkeit in den folgenden Jahrhunderten führte”, schreibt Autor Markus Schwering in seiner gerade erschienenen Kölner Literaturgeschichte - ein Zustand, der noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts anhalten sollte.

Wallraf als Förderer,
Sammler und Netzwerker

Doch es gab immer wieder Einzelpersonen, die sich für die Literatur und die kulturelle Entwicklung Kölns nachhaltig einsetzten, wie dies beim Kunstsammler und Literaturförderer Ferdinand Franz Wallraf der Fall war. Durch seine Sammelleidenschaft rettete er in den Zeiten der Säkularisation durch die Franzosen zahlreiche mittelalterliche Werke aus den Klöstern und Kirchen der Stadt. Als Förderer, Kommunikator und Netzwerker verfügte er über großen Einfluss. Zu seiner Zeit waren auch bekannte Literaturgrößen wie Goethe, Droste-Hülshoff und Schlegel in Köln zu Gast. Allerdings bliebt die eigene Kölner Literaturproduktion auch weiterhin auf einem eher bescheidenen Niveau.

Das änderte sich erst nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs nachhaltig. Einige bekannte Autoren wie Hilde Domin, Hans Meyer und Irmgard Keun hatten ihr Köln in der Nazizeit verlassen, andere stiegen wie der Kölner Nobelpreisträger Heinrich Böll als große Stars der Literaturszene auf. Auch Bölls Lektor bei Kiepenheuer & Witsch, Dieter Wellershoff, sollte als Autor noch eine große Bekanntheit erfahren, als er mit 74 Jahren seinen Roman „Der Liebeswunsch§ veröffentlichte.

Ab 1970 gesellten sich weitere bekannte Autoren ins Rampenlicht der Kölner Literaturszene wie der „Konkre“-Mitherausgeber Hans Bender, Paul Schallück, Jürgen Becker, Günter Wallraff und Dieter Kühn. Bereits um 1968 machten Autoren wie Rolf Dieter Brinkmann oder Ulla Hahn im literarischen Köln von sich reden. Dass ihnen das gelang, dafür sorgten auch Institution wie der WDR und sein Vorgänger NWDR, die für die entsprechenden Sendeformate wie das „Kölner Mittwochsgespräch“ oder für Aufträge wie bei Hörspielen sorgten.

Wichtig war auch die Verlagsszene, allen voran Kiepenheuer & Witsch mit einem Starautor wie Heinrich Böll. Zu ihnen gesellten sich zugezogene Verlage wie Böhlau, Diederichs und ab 2010 auch Bastei Lübbe. Dazu kamen Kölner Verlage wie Greven, Bachem, Emons und der DuMont-Buchverlag, der mit Bestsellerautoren wie Charlotte Roche oder Mariana Leky große Erfolge feiern konnte. Weitere wichtige Institutionen waren ab 1996 das Kölner Literaturhaus und ab 2001 das Literaturfestival lit.Cologne.

Bei seiner Kölner Literaturgeschichte lässt Schwering auch die Unterhaltungsliteratur nicht aus. Dazu zählt definitiv der von Verleger Hejo Emons an den Start gebrachte Köln-Krimi, der als Regionalkrimi mit Christoph Gottwalds Titel „Tödlicher Klüngel“ 1984 seine Premiere feierte. Als erfolgreiches Subgenre entwickelte sich der historische Köln-Krimi wie der Titel „Tod und Teufel“ des Kölner Bestsellerautors Frank Schätzing. Ebenfalls im Blick behält der Autor die Kölner Mundartdichtung von Willi Ostermann bis Wolfgang Niedecken.

Um die Jahrtausendwende spielt die neue Lyrik von Thomas Kling genauso eine Rolle in Köln wie starke Autorinnen wie Elke Heidenreich oder Angelika Mechtel. Schon in den 80ern ist der Aufbruch mit Autoren wie Marcel Beyer, Jochen Schimmang und Roland E. Koch spürbar. Für mehr Diversität in der schreibenden Szene sorgen die queere Literatur mit Gunther Geltinger und Angela Steidele oder bekannte Autoren mit Migrationshintergrund wie Navid Kermani. Beim Blick in die literarische Zukunft am Rhein fällt der Blick des Autors auf junge Autorinnen wie Melanie Raabe oder Susanne Abel, die weit über die Stadtgrenzen hinaus ihre großen Erfolge feiern können.

Markus Schwering: Kölner Literaturgeschichte: Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Böhlau-Verlag, 491 Seiten, 49 Euro