Münzstraße Wuppertal: Bücherschrank lädt zum Geben und Nehmen ein
Wuppertal · An der Münzstraße steht die „Kluge Kiste“.
In der Farbe dunkler Schokolade, formschön und elegant steht sie im Innenhof des Gebäudekomplexes der ehemaligen Konsumgenossenschaft „Vorwärts“ an der Münzstraße 53, die „Kluge Kiste“, die am vergangenen Samstag der Öffentlichkeit übergeben wurde. Es handelt sich dabei um einen Bücherschrank, der den Menschen im Quartier rund um den Sedansberg zum „Nehmen“, nämlich der Entnahme passender Literatur und zum „Geben“, der Einstellung bereits gelesener Bücher, zur Verfügung steht.
Die Aufschrift „Kluge Kiste“ ist eine Erinnerung an Helmut Kluge, wie Wolfgang Ebert, Vorsitzender des Fördervereins der einstigen Konsumgesellschaft, in seinen Begrüßungsworten erläuterte. „Der Helmut ist leider verstorben, doch in dem Namen unseres Bücherschrankes soll er weiterleben“, sagte er unter dem Beifall der Ehrengäste wie Hans-Hermann Lücke, Barmens Bezirksbürgermeister. Die Bezikrsvertretung hatte sich bei der Finanzierung des Bücherschranks hervorgetan und schon vor einem Jahr ihre Bereitschaft, sich mit einem namhaften Betrag zu beteiligen, signalisiert.
„Die ersten öffentlichen Bücherschränke waren ,pensionierte’ Telefonzellen. Erstens gibt es davon nur noch wenige, und zweitens sind die auch für Nässe und Feuchtigkeit anfällig, sodass die in regenreichen Gebieten nicht sehr zweckmäßig sind“, erklärte Wolfgang Ebert. Deshalb habe man sich für dieses Modell entschieden, dessen Türen über Magnetverschlüsse verfügen.
Als Wolfgang Ebert seine Ansprache in Gegenwart vieler Freunde des 95 Mitglieder starken Fördervereins begonnen hatte, sah es im Schrank noch ein wenig kümmerlich aus, doch das änderte sich von Minute zu Minute, und schnell füllten sich die einzelnen Etagen der „Klugen Kiste“ mit Literatur aller Art.
Auch „Kapital“, ein seitenstarkes Epos, stand im Regal, doch handelte es sich dabei nicht um das klassenkämpferische Werk von Karl Marx, sondern um einen Roman des englischen Schriftstellers John Lancaster. Wie auch überhaupt eher Belletristik wie die Bücher von Elisabeth George, Don Winslow oder ein Krimi aus der Reihe des Allgäuer Kommissars Kluftinger vorherrschten. Unterhaltungsliteratur, obwohl die Geschichte des Gebäudekomplexes in der Münzstraße ausreichend Stoff für eine ganze Romanreihe hergeben würde.
Wer von den Gästen noch nicht wusste, dass in dem 1904 erbauten Gebäudekomplex 100 000 Brote an einem Tag gebacken und Barmen mit Lebensmitteln versorgt wurde, dass dort sogar ein eigener Eisenbahnanschluss existierte, dass die Gebäude als Gefangenenlager und Folterräume der SA missbraucht wurden, und später als Wehrmachtskaserne dienten, nach dem Zweiten Weltkrieg als Gefangenen- und Flüchtlingslager genutzt wurden, der hatte im Gebäude selbst die Gelegenheit, eine umfangreiche, detailreiche Ausstellung zu besuchen.
Gäste wie Wuppertals ehemaliger Stadtdirektor und „Alt-Sozial-Dezernent“ Stefan Kühn oder Langerfelds Bezirksbürgermeister Andreas Bialas, der selbst im vorigen Jahr im Herzen von Langerfeld einen Bücherschrank eingeweiht hatte, kennen die Geschichte des „Vorwärts“ natürlich, nahmen aber, wie auch die übrigen Gäste, gern die Gelegenheit wahr, Erfahrungen in der Kommunalpolitik auszutauschen. Währenddessen hatte die „Kluge Kiste“ im Innenhof ihre erste Taufe mit allerdings leichtem Wuppertaler Regen zu überstehen.